Der Affe im Kirschbaum

Tiergeschichte – Keiner will glauben, dass im Kirschbaum ein Affe sitzt

Eines Tages kam Lena aufgeregt nach Hause.
“Ich habe einen Affen gesehen”, rief sie. “Einen richtigen, kleinen Affen. Süß war der!“
“Wo denn?”, fragte Mama.
“Draußen. Im Wäldchen hinter dem Spielplatz! Wie der Blitz ist er zwischen den Bäumen herum gesaust.”
“Hoho, du spinnst”, rief ich.
Auch Mama lachte. “Was du wieder erzählst…!”
Lena wurde sauer. “Wenn’s aber doch stimmt”, rief sie. “Ihr seid doof.”
Lena war beleidigt. Sie redete nicht mehr mit uns. Die Sache mit dem Affen hatten wir dann auch bald vergessen.
Abends klingelte es.
Es war Nachbar Locke, und er sah ganz blass aus.
“D-da ist ein Affe”, stotterte er. “Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen.”
Papa fing an zu lachen. “Ein Affe?” rief er. “Hahaha. Guter Witz!“
Lena aber sah mich triumphierend an und sagte: “Siehst du?”
Nachbar Locke stand da und zitterte. Er musste sich wohl mächtig erschreckt haben. “Es stimmt”, sagte er.
“Wo soll dieser Affe denn sein?”, fragte Papa.
“Im Kirschbaum. Seht selber nach?”
Nun waren wir neugierig geworden. Wir gingen in den Garten. Tatsächlich, da saß etwas im Kirschbaum. Vorsichtig schlichen wir uns näher. Dann sahen wir das Äffchen. Es fürchtete sich.
“Wie bist du süß!”, sagte Lena leise.
“Komm her!”, lockte ich und streckte meine Hand aus. Und ehe ich mich versah, saß das Äffchen in meinen Armen und klammerte sich wie Schutz suchend an mich. Schön fühlte sich das an.
“Wer bist du denn?”, fragte ich leise.
Das Äffchen sah mich mit angstvollen Augen an. Es zitterte. “Du Armes!”
Papa aber war wütend. “Was sind das für Menschen!”, schimpfte er. “Da schaffen sie sich Tiere an, die nicht hierher gehören und können nicht einmal auf sie aufpassen.”
“Vielleicht ist er ausgesetzt worden?”
“Das wäre ja noch schlimmer”, schimpfte Papa.
“Aber wenn”, fing Lena an, “dann könnten wir ihn doch behalten. Das wäre toll. So ein Äffchen hab’ ich mir immer gewünscht.”
“Meinst du, dem Äffchen würde es bei uns gefallen?”, fragte Mama.
“Das glaube ich nicht”, sagte Papa. “Oder wie, meinst du, würdest du dich unter lauter Affen mitten im Dschungel fühlen?”
“Hihi”, kicherte Lena. “Affenpudelwohl.”
Doch Papa war nicht zum Spaßen aufgelegt. Er erklärte uns, wie das ist mit Tieren, die aus fremden Ländern kommen.
“Sie können sich hier nicht wohl fühlen”, sagte er. “Und Affen schon gar nicht. Die sind nur glücklich, wenn sie mit ihrer ganzen Familie zusammen leben.”
“Armes Äffchen”, sagte Lena und streichelte den kleinen Affen. “Du bist ganz alleine. Wo ist deine Familie?”
Ja, wo? Bibi, so hatten wir das Äffchen getauft, blieb erst einmal bei uns. Wir gaben uns alle Mühe, doch Bibi guckte immer nur ganz traurig, und fressen mochte er auch nichts. Armer Bibi! Was sollten wir tun?
“Wir müssen eine Familie für ihn suchen”, sagte Mama. “Ich habe da auch schon eine Idee.“
Am nächsten Tag fuhren wir mit Bibi in die Stadt. Dort gab es einen Tierpark mit einem großen Affenhaus.
“Vielleicht haben wir Glück”, sagte Mama, und dann redete sie lange mit dem Zoodirektor.
“Der wird sich mächtig über Bibi freuen”, meinte Lena.
Doch der Zoodirektor freute sich nicht. Bedenklich wiegte er seinen Kopf hin und her.
“Ich glaube nicht”, sagte er und streichelte über Bibis Kopf, “dass unsere Affen Bibi in ihre Familie aufnehmen. Das ist nämlich sehr schwierig. Bibi ist ein Fremder für sie.”
“Aber Bibi ist doch so alleine”, riefen wir traurig.
“Na ja”, meinte der Zoodirektor. “Wir können es versuchen. Letzte Woche ist Jojo, der Mann von Maxi, gestorben, und Maxi ist sehr traurig und alleine. Vielleicht mag sie Bibi leiden.”
“Und dann ist sie nicht mehr traurig”, rief Lena. “Und Bibi ist nicht mehr alleine.”
Der Zoodirektor lächelte. “Vielleicht haben wir Glück”, sagte er.
Und wir hatten Glück. Es dauerte nicht lange, und Bibi und Maxi saßen Arm in Arm in einem Käfig. Ja, und weil Maxi Bibi leiden mochte, hatten auch die ganze Affenfamilie nichts gegen Bibi. Und jetzt sah Bibi nicht mehr traurig aus. Ich glaube, er war richtig verliebt in Maxi. Wie freuten wir uns darüber!
Seither besuchen wir Bibi und Maxi jedes Mal, wenn wir in der Stadt sind. Es geht ihnen gut, und ich glaube, sie freuen sich richtig, wenn wir sie besuchen. Bibi hat wirklich Glück gehabt.

© Elke Bräunling


Äffchen, Bildquelle © suju/pixabay

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