Frühlingsgeflüster im Wald

Fröhliches Frühlingsmärchen – An manchen Frühlingstagen ist viel los im Wald

“Hey, du! Wach auf, Langschläfer! Hörst du?” Wieder und wieder singsangte eines lauen Frühlingstages ein helles Stimmchen diese Worte. “Du hast lange genug geschlafen.”
“Ich bin noch müde”, brummte der kleine Waldwichtel. “Lass mich schlafen!”
“Schlafen?” Die Frühlingselfe rüttelte aufgeregt an der Schulter des Wichtels.
Der aber zog sich nur das dicke Moosstück, unter das er sich im Winter in seiner Baumwurzelhöhle kuschelwarm vergraben hatte, über den Kopf. “Komm wieder, wenn der Frühling da ist und es etwas zu tun gibt!”
“Aber er ist doch da, der Frühling! Spürt ihr Waldwichtel dies nicht? Sehen kann man ihn, fühlen, riechen, schmecken … aber ihr faulen Kerle seid mit nichts aufzuwecken. Den ganzen Tag schon laufe ich durch den Wald von Wichtelhöhle zu Wichtelhöhle. Aber ihr … ihr wollt eure Schlafplätze nicht verlassen. Ach, es ist jedes Jahr der gleiche Ärger mit euch.”
Erschöpft setzte sich die Frühlingselfe auf ein Buschwindröschenblütenpolster. Ihr Job, die Waldbewohner zu wecken und ihnen vom Frühling zu erzählen, war anstrengend. Dabei liebte sie ihn sehr. Alle Tiere und Pflanzen freuten sich, wenn sie als Frühlingsbotin durch den winterkahlen Wald streifte und ihr Weckliedchen sang. Und alle machten sich sogleich auf, den Frühling zu begrüßen und ihr Waldleben wieder aufzunehmen. Sehr wichtig war dies, denn es gab viel zu tun. Der Wald musste für den Sommer vorbereitet werden. Zudem mussten sich die Waldbewohner um ihre Familien sorgen, sich um den Nachwuchs kümmern und Nahrung suchen. Ja, und es galt der Welt zu zeigen, wie fleißig sie alle dem Frühling halfen mit frischem Grün, Blütentupfern und Nestbauten, mit Tirilieren, Singen und Brummsummen.
Alle machten sie mit. Sie freuten sich auf das neue Leben nach dem langen Winter. Nur die Waldwichtel schliefen.
“Ihr seid immer die Letzten”, beschwerte sich die Frühlingselfe.
“Die Letzten werden die Ersten sein”, rief einer der Wichtel zurück. Ein anderer kicherte.
“Freut ihr euch denn nicht auf die warmen Frühlings- und Sommerzeiten?”, fragte die Frühlingselfe schließlich.
“Aber ja doch! Aber klar doch!”, tönte es da aus allen Ecken des Waldes. Es klang wie ein bunter, immer noch etwas schläfriger Wichtelchor.
“Aber ihr seid immer die letzten, die den Frühling begrüßen”, klagte die Elfe.
“Das Beste kommt zum Schluss”, tönte es da zurück, wieder begleitet von einem Kichern.
Ein wenig musste die Frühlingselfe nun auch kichern.
Sie sind eben etwas eigenartig, dachte sie, und laut rief sie den Waldbewohnern zu:
“Tschüss, ihr Lieben! Ich muss weiter ziehen zum nächsten Wald.” Und etwas lauter fügte sie hinzu: “Vielleicht seid ihr erwacht, wenn ich auf dem Rückweg hier vorbeischaue?”
“Vielleicht”, rief eine Wichtelstimme aus einer Höhle heraus, und eine andere Stimme brummte: “Sie wird es nie begreifen, dass wir Wichtelleute erst bei Dunkelheit richtig munter werden.”
Noch am gleichen Abend versammelten sich die Waldwichtel unter der großen Eiche und schüttelten sich bei einem Tänzchen die letzte Schläfrigkeit aus den Gliedern. Dann machten sie sich an die Arbeit. Den ganzen Abend und die Nacht und noch viele weitere Nächte arbeiteten und arbeiteten sie, und als die Elfe nach elf Tagen und Nächten wieder des Wegs daher geschwebt kam, hatten sie den ganzen Waldboden sauber aufgeräumt. Als erste waren sie mit ihren Frühlingsarbeiten fertig. Wie jedes Jahr.
“Stimmt!”, kicherte der kleine Waldwichtel. “Wir Letzten werden die Ersten sein. Hihi.”

© Elke Bräunling


Frühlingsgeflüster – Märzenbecher, Bildquelle © Hans/pixabay

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