Die kleine Waldmaus und der Blättertag

Herbstblättermärchen – Unter dem bunten Blätterteppich im Wald kann man sich doch glatt verirren

Seit Tagen wanderte der Wind durch den Wald und über die Waldwiese. Er fegte durch die Zweige der Bäume und riss die Blätter und Früchte zu Boden. Überall ringsum klickerte und klackerte es. Das waren die Nüsse und Kastanien und auch die letzten Äpfel, Birnen und Zwetschgen, die von den Bäumen zu Boden fielen. Noch zahlreicher aber wirbelten Windböen die Blätter zu Boden. Blatt für Blatt für Blatt legten die sich über die Waldfrüchte. Bald war der Boden mit einem dichten, bunten Blätterteppich bedeckt.
Früh schon hatte sich die kleine Waldmaus auf den Weg zur Waldwiese gemacht. Sie freute sich über diesen Tag und auf ein Spielchen in den vielen kleinen Blätterbergen ringsum.
„Was für ein schöner bunter Tag!!“, rief sie. Dann machte sie sich auf den Weg, um ihre Freunde, die Wiesenmäuse, zu einem Spielchen zu treffen.
Mühsam arbeitete sie sich durch das frische Laub. Es lag so dicht, dass sie meinte, durch eine gelb-braun-rote Höhle zu kriechen.
„Es ist gar nicht einfach, heute voranzukommen. Wenigstens können mich hier meine Feinde, der Bussard, die Natter, der Marder und die Katze, nicht entdecken.“ Sie kicherte. „Diese Blätterhöhlen sind genauso praktisch wie ein sicherer Platz. Man muss sich nicht extra verstecken. Man ist schon versteckt. Prima ist das. Wunderprima.“ Sie machte Halt und blickte sich um. Wo war nun der Weg zur Waldwiese? Richtig verirren konnte man sich hier.
Sie lief weiter und weiter und lief und lief. Plötzlich war da ein Rascheln. Die kleine Maus machte Halt, lauschte. Das Rascheln kam näher und immer näher. Was war das und wer war das? Man konnte in diesem Blätterland ja wirklich nichts, aber auch gar nichts sehen. Was, wenn es doch ein Feind war?
„Weg! Nichts wie weg. Ich muss weiter laufen, bis …”
Zu spät. Das Rascheln war nun ganz nah. Und war da nicht auch noch ein Schniefen? Unheimlich klang das. Das Herz der kleinen Maus schlug noch ein wenig heftiger und ihre Füße klebten auf dem Waldboden. Sie konnte nicht weglaufen. Es … war … zu … spät.
„Was ist mit dir los?“, hörte sie da eine altvertraute Stimme fragen. „Warum zitterst du? Und waum versteckst du dich vor mir?“
Es war die Stimme des kleinen Igels, der nicht ihr Feind, sondern ihr allerbester Freund im ganzen Wald war.
„Ach, … du … bist … es?“
Die kleine Maus zitterte noch ein wenig und ihr Herz schlug noch ein kleines bisschen schneller. Vor Freude nun. Den Freund hatte sie viele Tage nicht mehr gesehen und sie hatte ihn sehr vermisst.
„Wer soll ich sonst sein?“, fragte der kleine Igel. „Es ist doch klar, dass ich hier bin. Oder warum, sag mir, bist du hierher zu den Weiden gekommen, wo ich meine Schlafstätte habe?“
Oh! Zu den Weiden, die weit entfernt von der Waldwiese ihren Platz hatten, war sie also gegangen?
Die kleine Waldmaus erschrak ein bisschen. „Da habe ich mich doch glatt verirrt“, sagte sie. “Aber es war ein schönes Verirren, denn sonst hätte ich dich nicht getroffen.“
Der kleine Igel lachte. „Dann bin ich heute dein Irrtum“, stellte er fest. „Was gibt es Besseres, als einen Freund durch einen Irrtum wieder zu sehen?“
„Nichts ist besser“, sagte die kleine Maus. „Wie gut, dass es die Blätterberge gibt!“

© Elke Bräunling

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Kleine Waldmaus, Bildquelle © Alexas_Fotos/pixabay

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