Die Monate und der Dezember

Kindergeschichte zum späten Herbst – Die Monate und das versöhnliche Ende des Jahres

Das Jahr neigte sich seinem Ende zu und es war still geworden. Es schien, als versteckten sich die Tage in einem frühen Winterschlaf. Der November tat alles, dass dies so blieb, und deckte das Land mit einem silbergrauen Nebelschleier sorgsam zu. Ruhe! Das scheidende Jahr, das für die Menschen so schwer gewesen war, verdiente diese Stille, um sich in Würde auf sein Ende vorzubereiten. Nur noch wenige Wochen, dann würde mit dem neuen Jahr auch ein neues Leben beginnen.
„Das Alte“, murmelte der November, „halte ich fest unter meiner schützenden Decke. Es ist zu müde zum Feiern und das ist gut so.“
Gut?
„Von wegen müde“, brummten die Monate, die ihre Zeit schon gelebt hatten.
„Man darf das Ende unseres Jahres nicht verschlafen“, rief der April erregt. „Wozu haben wir uns angestrengt?“
„Das stimmt“, sagte der Juli. „Unser Jahr droht, in Sorgen und Traurigkeiten zu ermüden. Das hat es nicht verdient.“
„Wir haben das auch nicht verdient“, stellte der Oktober fest und er gab dem November einen Stoß. „Hey, Kollege, übertreibe es nicht mit deiner Schläfrigkeit!“
„Ich tue nur meine Pflicht“, wehrte sich der November. „Ich halte das Jahr in meinen Armen und wiege es in den Schlaf. Es ist müde.“
„Auch wer müde ist, kann feiern“, knurrte der Februar, und der Januar ergänzte:
„Ein Jahr, das traurig endet, erstickt in meinem jungen Monat das Glück für einen fröhlichen Neuanfang.“ Er rüttelte den Dezember, der seltsam schweigsam war, an seinem Gewand. „Hörst du, Kollege? Es ist an dir, das Ruder herumzureißen und für ein versöhnliches und freudiges Ende zu sorgen.“
Der Dezember gähnte. „Das Grau des Kollegen November hat mich ermüdet. Warum kann ein Jahr nicht in einer feierlichen Stille enden? Denkt nur, wie angenehm und friedlich es sich anfühlte.“
„Eine gute Idee“, stimmte der Mai zu. „Den Menschen, und auch uns, würde es guttun. Aber …“
„Aber es ist langweilig und Langweile versinkt im Vergessen“, dröhnte der August. „Wollt ihr wirklich sehen, wie unser Jahr in Traurigkeit und Mutlosigkeit endet?“
„Nein!“ Die Monate sahen sich erschrocken an.
„Feiern!“, rief der Juni. „Ihr müsst es feiern und ihr müsst euch feiern.“
„Ein Fest, an das wir alle auch im kommenden Jahr denken und das wir uns immer wieder aufs Neue wünschen werden.“
„Ein Fest nur?“ Die Stimme des Dezembers klang nun frisch und aufgewacht und sehr bestimmt. „Wie immer soll es sein zum Ende des Jahres. Jeder Tag verdient es, gefeiert zu werden. Viele kleine und große, ruhige und laute Feste sollen einen Platz in meiner Zeit finden. Einverstanden?“
„Einverstanden.“ Die Monate nickten.
„Du auch, November?“
Der November zögerte. „Und was geschieht mit meiner Stille?“, fragte er. „Man kann sie doch nicht wieder zerstören!?“
„Die Stille?“ Der Dezember überlegte. „Sie wird mitfeiern und jedem meiner Feste eine ganz besondere Feierlichkeit und Besinnlichkeit verleihen.“ Er sah den November an. „Bist du nun einverstanden?“
Der November lächelte. „Wie sollte ich nicht? Wundervoll klingt das. Feierlich festlich oder festlich feierlich oder beides und kein bisschen traurig. Der Gedanke gefällt mir. Es ist … Es ist wie immer und das ist gut so.“
Und mehr gab es dazu dann auch nicht mehr zu sagen. Wie immer sollte es im Monat Dezember sein. Oder vielleicht ein kleines Bisschen besser, heller, friedvoller, fröhlicher, feierlicher und … stiller.

© Elke Bräunling

Und hier findest du die Geschichte vom Dezember: Das Märchen vom festlichen Monat Dezember

 

Dezemberträume, Bildquelle © langll/pixabay

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