Die Melodie im Nebel *
Traumgeschichte am Nebelabend – Ein geheimnisvoller Fremder hilft beim Flöteüben
Es war einer jener Tage, an denen es nicht hell werden wollte. Kalt war es, feucht und nebelig.
„Du musst noch Flöte üben“, sagte die Mutter nach dem Abendessen zu dem Kind.
Ihre Laune war genau so dunkel wie dieser Tag, und das Kind nickte. Es hatte keine Lust zum Üben, aber es wusste, dass es heute besser war, dies nicht laut zu sagen. Es ging in sein Zimmer und blätterte in der Flötenschule. Als es schließlich lustlos nach der Blockflöte griff, hörte es plötzlich eine Melodie. Schön klang sie. Zauberzart schön und wie von fern aus einer anderen Welt. Wer spielte da?
Das Kind öffnete das Fenster und lauschte. Da war niemand. Das Flötenspiel aber wurde laut und lauter.
„Toll!“, rief das Kind laut in die Nebelwelt hinaus. „Du spielst toll!“
Eine dürre, hoch gewachsene Gestalt, von Nebelfäden umflort, bog in die Gasse ein. Sie machte ein paar Schritte vor dem Haus, in dem das Kind wohnte, Halt. Das Flötenspiel verstummte und eine Hand winkte zu dem Kind herauf. Eine Hand, die eine silberne Flöte hielt.
„Spielst du mit mir?“, fragte der Fremde.
Das Kind zögerte. „Ich kann nicht gut spielen“, antwortete es dann. „Ich muss noch üben.“
Der Fremde lachte. „Spiele einfach!“
Er hob die Flöte, die viel zu klein zu sein schien für seine langen, dürren Finger, an seinen Mund und setzte sein Spiel fort.
Das Kind staunte. Die Melodie klang noch schöner, noch glockenheller und reiner.
„Jetzt du! Nein, wir spielen gemeinsam!“, rief der Fremde. „Trau dich!“
Und da versuchte es das Kind. Zaghaft erst, dann immer mutiger und fester blies es ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben und noch mehr Flötentöne und fügte sie zu einer Melodie zusammen, die der des Fremden in nichts nachstand.
Und so spielten die beiden und spielten. Viele wunderreine Melodien hallten durch die Nebelwelt und machten sie ein bisschen heller. Und das war genau das, was dieser späte Tag brauchte, um als ein guter Tag in Erinnerung zu bleiben.
Schön war das. Wunderfein schön. Nie hätte das Kind gedacht, dass Flöte spielen so viel Vergnügen bereiten konnte.
„Flöte spielen ist toll!“, rief es in die Nacht hinaus. Der Fremde aber war verschwunden. Da waren nur noch eins, zwei, drei Flötentöne, die von sehr weit weg leise als Antwort zurück hallten.
„So schön hast du noch nie gespielt“, sagte die Mutter, die ins Zimmer gekommen war. „Sei weiter so fleißig und übe! Nur wer lernt, erreicht mehr im Leben. Und nun mach das Fenster zu! Es ist kalt.“
Da klappte das Kind den Fensterladen zu. Die silberne Flöte, die auf dem Fensterbrett lag, sah es – noch – nicht.
© Elke Bräunling
Der Flötenspieler, Bildquelle © blickpixel/pixabay
Sehr schön, liebe Frau Bräunling,
Musik ist etwas Wunderbares. Bereits die Überschrift hat mich sofort an Mozarts Zauberflöte erinnert.
Eine herrliche Oper, die ich mehrfach erlebt habe, erleben durfte.
Vielleicht wird der Junge ja einmal ein berühmter Flötist.
Die Zauberflöte hat Er bereits. Nur weiß Er es noch nicht.
Sofort hatte ich die Melodie der Zauberflöte im Ohr, herrlich.
Danke, für diese schöne Geschichte.
Christoph
Musik vermag immer zu zaubern, wenn man dafür bereit ist. Die Zauberflöte konnte mich leider nie so richtig erreichen, vielleicht, weil ich zu jung war, als meine Eltern mich zum ersten Mal mit in die Oper nahmen und ich die Handlung damals zu albern fand. Finde ich ehrlich gesagt heute noch. Da mich meine Eltern damals auch jedes Jahr mit nach Bayreuth zu den Wagner-Festspielen mitnahmen, war und kann ich vielleicht auch für Mozartopern nicht mehr so sehr empfänglich sein. Und jetzt habe ich so richtig Lust auf … na, mögen Sie raten?
Liebe Grüße, Ele
Ja, natürlich liebe Frau Bräunling, Die Zauberflöte!
So ist das Leben auch in der Musik. Ja, manche dieser Inszenierungen sind albern.
Die Aufführung von Sawallisch und Schreier als Tamino war meine erste und sie war wunderbar.
Oder die Aufführung aus Paris 2000 (YouTube) glaube ich. Sie war einfach grandios.
Mit Wagner wiederum, kann ich nichts anfangen.
Dennoch Musik ist einfach traumhaft.
Sie streichelt die geschundene Seele.
Musikalische Grüße
Christoph
Oh, Peter Schreier als Loge im Rheingold! Das war das Allerbeste, was ich je gehört habe. Danke fürs Erinnern an diesen großartigen Künstler.
Und ja, Musik kann traumhaft sein, sofern man sie nicht zum Beruf hat. Dann frisst sie einen auf. Mein Mann war Musiker (Pianist, Konzertmeister, Keyboarder) und es gab ein paar Sommer, in denen er zwischen Bayreuth und Salzburg zwischen Mozart und Wagner hin- und herpendelte, dazwischen noch Popkonzerte in Lille und Straßbourg. Und ich mit – als Chauffeurin oft. Womit wir die Verbindung zwischen Mozart und Wagner doch haben. Es war eine aufregende Zeit …
Musikalische Grüße und ja, mit Wehmut
Elke