Das kleine Wunder im Farnwald

Waldgeschichte für Groß und Klein – Das Geheimnisse der Farne und das Wunder des Gesangs

„Ich liebe den Wald mit seinen Bäumen, Blumen, Pilzen und Farnen“, hat der Großvater gesagt. Und weil das Kind seinen Großvater liebt, beschließt es, den Wald auch ganz besonders zu mögen. Vielleicht spürt es den Großvater dort, wo er nun ist, dann besser. Das wünscht sich das Kind, das sich traurig fühlt, von Herzen.
Neugierig stapft es den Pfad, der zum Wald führt, bergan. Weil es sich hier nun doch etwas alleine fühlt, fängt es an zu singen. Das klingt so wunderbar, dass die Vögel kein Tönchen mehr von sich geben und lauschen, und auch die alte Eule unterbricht ihr Tagesschläfchen, um zuzuhören. Still ist es im Wald geworden. Mucksmäuschenstill.
Nur das Kind singt und singt und … plötzlich ertönt da ein anderes, helles Stimmchen. Und noch eines und noch eines und dann sind es ganz viele. Und das klingt wunderschön.
Das Kind hält inne, lauscht.
„Hey du!“, raunt ihm jemand zu. „Sing weiter! Dein Lied klingt so schön!“
Wer spricht da zu ihm? Das Kind sieht sich um, kann aber niemanden entdecken. Da ist dichtes Waldgrün ringsum in vielen tiefgrünen Wedeln, die sich im Hauch eines zarten Windes hin- und her bewegen. Farn heißen diese Pflanzen und sie blühen anders, man kann es fast nicht sehen, so hat es der Großvater einmal erklärt.
„Ich sehe dich nicht, du Farnblume!“, ruft das Kind. „Kannst du sprechen?“
Es zögert und weil ihm niemand antwortet, fängt es wieder an zu singen.
„Blütenzauber, Blütenduft, es liegt Sommer in der Luft“, singt es.
„Auch im Wald, da blüht es bald. Komm und schau, ja schau genau!“, lautet die Antwort aus den Farnen ringsum. Viele kleine Stimmen sind es nun und ein besonders helles und lautes Stimmchen setzt den Chor der unsichtbaren Waldsänger fort:
„Wer des Waldes Blumen liebt, ist’s, der seine Liebe gibt allen, die im Walde wohnen. Unser Dank wird es ihm lohnen.“
Die Stimme kommt aus dem großen Farngewächs dort neben der alten Kiefer und sie klingt zufrieden, ja, fröhlich fast.
Das Kind tritt langsam näher. Es möchte nun unbedingt wissen, wer da so allerliebst singt. Vorsichtig biegt es die Farnwedel ein wenig zur Seite und lugt in die große Pflanze hinein.
Hell schimmert es ihm aus dem Dunkel des Blattgrundes entgegen. Hell wie das Licht der Sonne, das den Waldboden überstrahlt und an den Himmel bei Sonnenaufgang erinnert.
„Schööön!“ Das Kind stößt einen freudigen Seufzer aus und in seinem Bauch breitet sich ein warmes, tröstliches Gefühl aus. Und da, da sieht es für einen kurzen Moment mitten in diesem goldgelben Schein kleine Wesen sitzen, die Engelchen ähneln.
Das Kind wagt kaum zu atmen. Es möchte diese zarten Wesen nicht verscheuchen.
„Wer seid ihr denn?“, fragt es leise.
Die hellen Stimmchen erklingen wieder.
„Sing mit uns, du liebes Kind, dann sagen wir dir, wer wir sind!“
Singen? Das ist etwas, was das Kind liebt. Fast so sehr wie den Wald … und wie den Großvater. Und für alle diese würde es nun singen. Laut. Damit sie sein Lied hören können. Die kleinen Engelswesen in den Farnpflanzen, die Blumen im Wald, die Bäume und der Großvater. Bestimmt würden sie sich alle freuen. Ja, ganz bestimmt.
Nun ist das Kind nicht mehr ganz so traurig und fängt wieder an zu singen. Laut und fröhlich.
„Wer des Waldes Blumen liebt, ist’s, der seine Liebe gibt …

© Elke Bräunling


Farnwald, Bildquelle © Larisa-K/pixabay

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