Das gruselgrausige Märchen und die Märchenfee
Märchen vom Märchen, das nicht mehr gruselgrausig sein wollte
Das gruselgrausige Spukmärchen hatte eines Tages die Nase voll. Immer wieder hörte es, wie die Kinder beim Vorlesen vor Schreck zusammenzuckten. Sie zitterten und weinten manchmal sogar. Manche konnten seinetwegen am Abend nicht einschlafen oder sie träumten gruselige, gemeine Träume.
Nein, all dies gefiel dem Märchen überhaupt und gar nicht.
„Ich ertrage es nicht mehr, dass sich die Kinder vor mir fürchten“, beschwerte es sich bei der Märchenfee. „Schon gar nicht mag ich, dass die Kinder meinetwegen gruselgrausig träumen.“
Die Märchenfee wunderte sich. „Ein gruselgrausiges Spukmärchen ist zum Fürchten da“, sagte sie.
Das Märchen seufzte. „Wie fürchterlich.“ Es überlegte eine Weile. „Und wenn du aus mir ein wohlig warmes Kuschelmärchen machst?“, fragte es dann.
„Ein wohlig warmes Kuschelmärchen?“ Die Märchenfee staunte. „Nun, das kann ich machen. Aber, was wird aus deinen Gespenstern, den Fratzenköpfen und dem Oberrauhgeist?“
„Oh!“, rief das Märchen, „die werden wohlig kuschelwarm sein. So richtig zum Gernhaben.
„Hm.“ Die Märchenfee sah das gruselgrausige Märchen ungläubig an. „Was ist schon ein wohlig kuschelwarmer Oberrauhgeist?“
„Er ist nicht mehr rau und fürchterlich“, rief das Märchen. „Ach, bitte, ich will kein gruselgrausiges Spukmärchen mehr sein.“
„Bist du dir da wirklich sicher?“, fragte die Fee noch einmal.
„Ganz sicher“, antwortete das Märchen.
Und da machte die Märchenfee aus dem gruselgrausigen Spukmärchen ein wohlig warmes Kuschelmärchen. Mit einem freundlichen Oberrauhgeist und lieben Gespenstern und hübsch lächelnden Fratzengesichtern.
Da war das Märchen glücklich. Nun würden sich die Kinder nicht mehr fürchten. Wunderschöne wohlig warme Kuschelträume würden sie haben. Wie schön!
Und wie langweilig! Auf einmal nämlich wollte keiner mehr das Märchen hören, und irgendwann war das Märchen vergessen.
© Elke Bräunling
Märchenfee, Bildquelle © Free-Photos/pixabay