Die Muttertagstasse

Kindergeschichte zum Muttertag – Von einer alten Tasse mit den vielen Familienerinnerungen

Zum Muttertag bereiteten Mara und Max für Mama eine Überraschung vor. Ein Picknick im Park auf der Gänseblümchenwiese mit Kaffee, Kakao, Muffins und einem Möhrenkuchen. Die Getränke und die Muffins hatten sie in der Backstube „Leckermäulchen“ vorbestellt und von ihrem Taschengeld bezahlt. Der Kuchen war selbst gebacken und Papa hatte nur ein kleines Bisschen beim Backen geholfen. Und weil Oma auch eine Mutter ist, Papas Mama nämlich, sollten die Großeltern auch zum Muttertagspicknick kommen.
Alle freuten sich sehr über die Einladung zur Gänseblümchenwiese, ganz besonders natürlich Mama und noch mehr Oma.
„Was für ein hübscher Platz!“, sagte Mama. „Gänseblümchen gehören für mich zum Muttertag. Als ich in eurem Alter war, habe ich sie gepflückt und für meine Mutter eine Gänseblümchenkette geflochten.“
„Und für mich“, sagte Oma, „gehört diese Tasse zum Muttertag. Ich habe sie neulich in einer Kiste auf Tante Ellas Dachboden entdeckt. Oh, was habe ich mich gefreut, sie wieder gefunden zu haben!“ Sie griff in ihre Tasche und stellte eine alte Porzellantasse mitten in die Gänseblümchenblüten. Hübsch saß sie aus, die zarte weiße Tasse mit dem Muster aus bunten Blütenköpfen.
„Schön!“, sagte Mara. „Sie sieht so zerbrechlich aus.“
Mama strich mit dem Finger vorsichtig über die Tasse. „So ein Kaffeeservice würde mir gefallen.“
„Mir auch“, sagte Oma. „Aber leider hat nur diese Tasse das Leben überlebt.“
Das Leben überlebt? Was war passiert? Staunend sahen die Kinder Oma an.
„Es ist keine schöne Geschichte, aber sie ist eine Muttertagsgeschichte aus meiner Kindheit. Ich war gerade fünf Jahre alt geworden und wir feierten Muttertag. Es war Krieg und …“
Und dann erzählte Oma von der Nacht, die dem Muttertag in jenem Kriegsjahr 1944 folgte. Die Nacht, in der Bomben viele Häuser und Straßenzüge in der Stadt zerstört hatten. Auch das Haus, in dem Oma mit ihrer Familie wohnte.
„Es war ein trauriges Fest“, sagte sie. „Vater war als Soldat in Frankreich stationiert und Mutter sah sehr blass und traurig aus. Sie hatte Angst um Vater und große Sorgen, wie sie uns Kinder in diesen gefährlichen Zeiten beschützen sollte. Deshalb wollten wir ein besonderes schönes Muttertagsfest mit ihr feiern. Wir deckten den Kaffeetisch mit dem Familienservice und schmückten ihn mit Gänseblümchen und Löwenzahnblüten. Wir strengten uns sehr an, um ein Lächeln in Mutters Gesicht zu zaubern. Und ein bisschen, glaube ich, ist es uns auch gelungen. In der Nacht dann kamen die Flugzeuge von England her …
Oma schloss für einen Moment die Augen. Dann erzählte sie, wie sie im schützenden Bunker saßen und wie sie hinterher vor den Trümmern ihres Hauses gestanden hatten. Ja, und wie ihr Bruder Erwin im Schutt neben anderen Habseligkeiten diese Tasse entdeckt hatte. Seither hatte die Tasse die Familie begleitet und als Vater nach dem Krieg in ihr neues Zuhause, das sie bei Verwandten auf dem Land gefunden hatten, kam, war die Tasse auf dem Tisch gestanden.
„Mit Brennnesseltee als Begrüßungstrunk“, erzählte Oma und jetzt lächelte sie. „Etwas anderes gab es nicht. Aber die Tasse hat zusammen mit uns alles überlebt. Und deshalb ist sie ein wichtiges Erinnerungsstück für unsere Familie.“
Sie nahm die Tasse, streichelte über das Blümchenmuster und reichte sie Mama.
„Ab heute soll sie bei euch weiter leben, unsere Familientasse.“
„Toll“, freute sich Mara. „Sie ist jetzt unsere Muttertagstasse. Einverstanden?“
Einverstanden. Keiner hatte etwas dagegen. Warum auch?

© Elke Bräunling

 

Hier erzählt dir Regina Meier zu Verl diese Geschichte

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Muttertagstasse, Bildquelle © congerdesign/pixabay

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