Als der Vampir Bodumil von Schwafeleck erwachte

Vampirgeschichte – Wenn ein Vampir die Zeit verschläft, kann das Erwachen sehr seltsam sein

Eines düsteren Spätnachmittags erwachte der Vampir Ritter Bodumil von Schwafeleck aus dem Tagesschlaf. Dass er sich vor genau 777 Jahren in seinen Sarg zur Ruhe gelegt und diese lange Zeit nun verschlafen hatte, ahnte er nicht. Er hob den Sargdeckel hoch und sah sich in der Gruft seiner Ahnen um, die unter dem Geröll der verfallenen Burgkapelle verborgen lag. Der Raum war zu einem großen Teil mit Geröll verschüttet, an den Decken hingen Fledermäuse. Die Grabplatten seiner Familienmitglieder waren alle geschlossen.
„Sie schlafen noch“, brummte Bodumil. „Ich bin zu früh erwacht. Überhaupt. Wie sieht es hier aus? Es scheint, als hätten die Horden unseres Feindes Ritter von Stinkestein hier über Tag ihr Unwesen getrieben. Ich sollte wohl besser gleich nach dem Rechten sehen.“
Ächzend stand er auf und tastete sich über den Schutt zu dem halb verschütteten Ausgang.
Draußen herrschte trübes Nebelwetter. Bodumil von Schwafeleck blinzelte.
„Eins steht fest: Die Sonne hat sich bereits vom Tag verabschiedet. Ich kann gefahrlos draußen nach dem Rechten sehen.“
Mit angewiderter Miene räumte er Schutt und Steine weg, die den Ausgang versperrten. Dabei sann er nach Rache.
„Das werden sie mir büßen, diese Stinkesteins mitsamt ihren Untertanen. Ich werde mit meinen Leuten in ihre Burg eindringen. An ihrem süßen Blut werden wir uns laben, bis ihnen die Lust dazu vergeht, nochmals in unsere Burg einzudringen. Das schwöre ich beim Geist meines Urahns Hassomil dem Blutigen.“
Endlich hatte Bodumil einen Durchgang durch den Schuttberg gegraben. Mit einem grimmigen Lächeln trat er ins Freie und schaute zum Burgfried mit der Fahne, die das Wappen der Ritter von Schwafeleck trug. Was aber war das? Der Turm war verschwunden. An seiner Stelle baute sich ein stählernes Ungetüm vor ihm auf mit einem langen, zur Seite ragenden Arm, der einen seltsamen Korb voller Steine trug. Langsam und drohend schwenkte der Arm auf ihn zu und warf ihm seine Last vor die Füße. Mit lautem Gepolter donnerten die Steine wenige Meter vor Bodumil zu Boden und hüllten den vor Angst schlotternden Vampir in eine staubige Schmutzwolke ein.
Bodumil heulte vor Wut auf. „Was – zum Henker! – ist das für eine neue grausame Kampfmaschine? Unsere Feinde scheuen vor nichts zurück. Ich muss meine noch lebenden Nachkommen, die auf Schwafeleck wohnen, warnen. Bestimmt sitzen sie in der großen Halle und wähnen sich in Sicherheit.“
Schnell eilte er über den nebeligen Burghof und stolperte wieder und wieder über seltsames Kriegsgerät: Blechkerle, die schmierig grauen Steinbrei zermalmten, und Riesenschwerter, die mit einem lauten Röhren Löcher in den Boden bohrten. Hin und wieder traf er auch auf ein paar feindliche Ritter, die in ihren schreiend roten Rüstungen zwischen all den Kampfgeräten standen, miteinander redeten oder sich an kleinen Rauchstäben festhielten, die sie immer wieder zum Mund führten.
Es fiel Bodumil nicht leicht, ungesehen an diesen Feinden vorbei zu kommen. Er versteckte sich hinter Schutt, Steinhäufen und Kriegsgerät, und endlich hatte er den Burghof überquert. Wo aber war die Burg? Bodumil konnte die vertrauten Mauern und die Freitreppe, die zur Halle führte, nicht sehen. Er starrte verwirrt ins Nebelgrau.
Eine raue Stimme riss ihn aus seinen Grübeleien. „Hey, was hast du hier auf der Baustelle verloren, du Comicfigur?“
„I-i-ich bin Ritter Bodumil von Schwafeleck“, stammelte Bodumil. „U-und w-wer seid Ihr, mein Herr?“
Der Fremde in der roten Ritterrüstung brach in lautes Lachen aus. „Oho! Was für eine Überraschung. Hoho.“ Er musterte Bodumil, dessen Gesicht, Haare und Kleidung voller Staub- und Schmutzflecken waren, und grinste. „Haben Euer Ehren im Staub gebadet, Herr Ritter Schwafelschreck?“
„Schwa-Schwafeleck“, berichtigte Bodumil den Fremden.
Der aber packte ihn schon am Arm und deutete zum Burgtor. „Hier wird ein Hotel gebaut und Fremde haben auf der Baustelle nichts zu suchen. Zieh Leine, du verrückter Ritter! Aber dalli!“
„Verzeiht, Herr!“ Bodumil deutete eine Verbeugung an und machte sich auf den Weg zurück zur Gruft. Er war sehr verwirrt.
„Ein Hotel? Was ist das?“, murmelte er. „Ein Traum. Es war bestimmt nur ein schlimmer Traum.“ Er tappte zurück in die Gruft und legte sich in seinen Sarg. „Ich muss mich noch ein wenig ausruhen. Wenn ich wieder aufwache, wird er vorbei sein, dieser böse Spuk. Ganz bestimmt.“

© Elke Bräunling

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 Bildquelle © pixel2013/pixabay

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