Zauber im Holunderstrauch

Sommergeschichte für Groß und Klein – Geheimnisvoll ist der Holunder, der auch Frau Holle heißt

Mia und Max sitzen bei Uroma Marie auf der Bank unter dem Holunderstrauch. Die Sonne scheint und viele Bienen summen geschäftig um die süß duftenden Holunderblüten herum.
„Schön ist´s hier!“, sagt Mia.
„Es riecht so toll“, meint Max.
„Jaja!“, antwortet Uroma Marie. „Bei Frau Holle fühlt sich jeder wohl!“
„Frau Holle?“ Erstaunt sehen die Geschwister die Uroma an.
„Es ist doch nicht Winter!“, sagt Max.
„Frau Holle gibt es nur im Märchen“, wundert sich Mia.
„Vielleicht auch hier!“, sagt Uroma Marie mit geheimnisvoller Stimme. „Man sagt, im Holunderstrauch wohne Frau Holle!“
„Ehrlich?“
„Das ist doch auch nur eines von diesen Märchen, oder?“
Uroma Marie lächelt. „Wer weiß es so genau?“, fragt sie. „Ich habe hier einmal ein Erlebnis gehabt, das mich wieder an Märchen glauben lässt.“
„Erzählst du uns davon?“
„Gerne!“ Uroma Marie lehnt sich bequem zurück, atmet tief den süßen Duft der Blüten ein und beginnt zu erzählen:
*
„Vor vielen, vielen Jahren saß ich auch hier auf dieser Bank. Leise sirrten die Zweige, und mir war, als erzählten sie mir ihre Geschichte.
Auf einmal kam eine junge Frau. Sie trug altmodisch lange Röcke und eine weiße Spitzenhaube. Sie kniete vor dem Strauch nieder und bat: „Frau Holle, Frau Holle, so helfe mir nun. Mein Kind, es hat Fieber. Was kann ich denn tun?“
Erstaunt starrte ich die fremde Frau an. Die ist verrückt, dachte ich, doch im gleichen Augenblick antwortete es aus dem Strauch mit freundlicher Stimme:
“Pflücke vom Strauche die Blüten geschwind! Brau einen Tee draus und gib ihn dem Kind! Heiß muss er sein, und bald wirst du sehn, das Fieber, wie gekommen, so schnell wird´s auch gehn.“
Die Frau stand auf, pflückte ein paar Holunderblüten, verneigte sich vor dem Strauch und sagte: „Danke, Frau Holle“.
„Gut, gut“, murmelte der Strauch. „Rinde, Beere, Blatt und Blüte. Jeder Teil ist Kraft und Güte. Jeder segensvoll…“
Ich wunderte mich. Wer hatte da gesprochen? Und warum nannte die Fremde den Strauch ´Frau Holle´?
Ehe ich länger darüber nachdenken konnte, kam ein alter Mann in mühsamen, kraftlosen Schritten des Wegs. Auch er verbeugte sich, zog seinen Hut und sagte: „Frau Holle, Frau Holle, es geht mir nicht gut. Schenk mir deine Kraft und erfrische mein Blut!“
Und schon antwortete es aus dem Strauch:
„Aus Blättern der Saft schenkt Frische und Kraft.“
„Danke, gute Frau Holle“, sagte der Mann und pflückte sich rasch ein paar Holunderblätter. Er verbeugte sich nochmals und sprang fröhlich davon.
„Oh, wie er läuft!“, kicherte es aus dem Strauch. „Ja, ja! Rinde, Beere, Blatt und Blüte. Jeder Teil ist Kraft und Güte. Jeder segensvoll…“
„Und wie hilft die Beere, Frau Holle?“, hörte ich mich da fragen. Einfach so herausgerutscht war mir diese Frage, und der Strauch wusste auch hier eine Antwort:
„Schmerzen die Därme, gib ihnen Wärme und ein paar Beeren getrocknet dazu. Es dauert nicht lange, und Ruhe hast du.“
„D-danke, Frau Holle!“, stammelte ich verdutzt. Ich stand auf, verbeugte mich vor dem Strauch und fragte: „Wer bist du?“
Der Strauch aber blieb stumm.
Verwundert rieb ich mir die Augen. Hatte ich diese Begegnung nur geträumt?“
*
„Und?“, fragte Mia, „hast du das alles nur geträumt?
Uroma Marie lächelte. „Das weiß ich bis heute nicht. Doch ich habe ein wenig nachgeforscht, und denkt, all das, was mir der Strauch erzählte, stimmt. Die Menschen benutzten seine Rinde, Beere, Blatt und Blüte früher, als es noch keine Apotheken gab, als Heilmittel und pflanzten in jedem Garten, an Häusern, Feld -und Wegrändern Holunderbüsche an.
„Wie praktisch“, meinte Max. „Dann hatten sie ihre eigene Apotheke direkt vor dem Haus.“
„Und schön aussehen tut so ein Holunderstrauch auch“, meint Mia. „Man meint, er hänge voller Schnee! Ob er deshalb ´Frau Holle´ heißt?“
Ja, vielleicht…!? Die Antwort wird wohl für immer ein Geheimnis der Frau Holle bleiben.

© Elke Bräunling

Holunderzeit, Bildquelle © Hans/pixabay

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