Das neue Skizzenbuch

Kindergeschichte vom Zeichnen – Wie wichtig doch ein Skizzenbuch/Notizbuch ist

Tante Marie war Künstlerin und fand überall irgendetwas zum Schreiben, Zeichnen oder Kritzeln. Und deshalb ging sie auch nie ohne Skizzenbuch aus dem Haus.
„Irgendetwas findet sich immer“, sagte sie oft. „Nicht auszudenken, mir begegnete unterwegs die Muse oder ich hätte eine Inspiration und könnte sie nicht gleich zu Papier bringen. Fatal wäre das! Höchst fatal.“
Anna konnte zwar nichts mit ‚Muse’ oder ‚Inspiration’ anfangen und sie wusste auch nicht, was dieses ‚Höchstfatal‘ bedeutete, aber das mit dem Skizzenbuch gefiel ihr. So eines wollte sie auch haben. Wie Tante Marie wollte sie nämlich auch einmal eine Künstlerin sein und tollen Schmuck entwerfen. Bunten Schmuck, der glitzerte. Dazu aber brauchte sie unbedingt auch ein Skizzenbuch. Am liebsten ein buntes, das vielleicht auch ein bisschen glitzerte. Im kleinen Buchladen neben der Bäckerei hatte sie so eines im Schaufenster gesehen. Es war pink mit einem Einhornbild drauf. Das Horn vom Einhorn glitzerte. Silbern. Toll sah es aus, dieses Skizzenbuch. Megaschöntoll.
Und weil Anna dieses megaschöntolle Skizzenbuch unbedingt haben wollte, redete sie zuhause von nichts anderem mehr. Sie redete so viel und so oft davon, dass Mama mit den Augen rollte und „Was bist du doch für eine kleine Nervensäge!“ sagte.
Was eine Nervensäge war, konnte Anna auch nicht so richtig verstehen, aber dass sie auf dem richtigen Weg war, das wusste sie.
„Damit kann ich auch ganz toll schreiben üben“, sagte sie. „Für die Schule und so.“
Schule! Das klang gut. Und dafür war Mama auch immer zu haben und so kaufte sie für Anna das Skizzenbuch mit dem glitzernden Einhorn-Horn und legte es ihr am Abend beim Gutenachtsagen aufs Kopfkissen.
Wie groß war Annas Freude! Mama war eben doch die allerbeste Mama auf der Welt. Klar. Und ihr Skizzenbuch war das allerschönste. Auch klar.
Weil es aber schön war, traute sich Anna plötzlich nicht mehr, irgendetwas auf die frisch duftenden Buchseiten zu schreiben. Nur ihren Namen und ihre Adresse schrieb sie auf die erste Seite. Damit jeder wusste, dass dieses Buch ihr Skizzenbuch war. Und dann wollte sie eine Blume malen mit einem Smileygesicht. Doch ihre Hand zitterte, als sie mit dem roten Malstift beginnen wollte. Was, wenn ihr die Blume misslingen würde? Das tolle megawunderschöne Skizzenbuch würde dann ja gleich nicht mehr toll und megawunderschön aussehen. Hm.
Anna überlegte, dann riss sie zwei Seiten aus ihrem Rechenheft und legte sie in das Skizzenbuch. Und nun klappte das auch mit der roten Blume. Toll sah sie aus auf dem Rechenheftpapier.
„Es macht Spaß, in ein Skizzenbuch zu malen“, murmelte sie und malte gleich noch ein Haus mit einem Garten und einem Zaun, auf dem ein Vogel saß, auf das zweite Blatt aus dem Rechenheft.
Noch viele Bilder malte Anna. Auf Blätter, die sie aus Heften heraustrennte und in das Skizzenbuch legte. In das Skizzenbuch aber hatte sie noch nichts gemalt und auch nichts geschrieben und überhaupt fand sie Einhörner auch gar nicht mehr so toll. Ein Bild von Harry Potter wäre auch viel cooler. Oder?

© Elke Bräunling


Zeit zum Malen, Bildquelle © ponce_photography

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