Drachenkind und die alte Burg

Abenteuergeschichte und Ritterzeit – Ein Ausflug in eine andere Welt … und in eine andere Zeit

Eines Sonntagmorgens fahren Maja und Moritz mit ihren Eltern aufs Land zu einem Picknick. Das Wetter ist schön, und am Rande eines Berges entdecken sie eine Wiese.
“Ein schöner Platz”, sagt Mama und wirft sich ins Gras. “Hier stehe ich nicht mehr auf.”
“Und ich”, freut sich Papa, “kann hier in aller Ruhe mein Buch lesen.”
Maja und Moritz sehen sich an. “Und wir? Was sollen wir machen?”
“Ihr könnt auf den Hügel hinaufwandern”, schlägt Papa vor. “Dort oben soll es eine Ruine geben.”
“‘ne alte Burg?”, fragt Moritz.
“Keine Ahnung. Seht nach! Vielleicht weckt ihr einen ollen Burgdrachen aus seinem Jahrtausendschlaf auf!”
“Mega!” Nun ist Moritz vollends begeistert. “Los, wir sehen uns diese Burg an!”
Maja verzieht das Gesicht. “Na ja”, meint sie dann. “Es ist besser, als sich hier zu Tode zu langweilen.”
Langsam steigen die Geschwister durch den Wald bergauf. Neblig ist es auf einmal, und je höher sie kommen, desto dichter wird der Nebel. Auf einmal bleibt Maja stehen. Wie erstarrt blickt sie in den seltsam schimmernden Nebel.
“Ich muss los!” sagt sie mit eigenartig fremd klingender Stimme.
“Wohin?” fragt Moritz.
“Zur Burg. Dareg ruft nach mir. Hörst du es nicht?”
“Burg? Dareg? Was ist los mit dir?”
Maja aber hört nicht mehr zu. Wie verzaubert geht sie auf das Nebelgrau zu.
“Die spinnt”, murmelt Moritz, doch weil er seine Schwester nicht alleine lassen will, folgt er ihr, und bald haben sie die Bergkuppe erreicht. Ein hohes, brüchiges Gemäuer mit einem finsteren Tordurchgang erhebt sich vor ihnen.
In Moritz’ Bauch fängt es an zu grummeln. Ihm ist, als rieche er Gefahr. Er schüttelt sich.
“Geh da nicht rein!”, ruft er, doch Maja ist schon im im Gang verschwunden.
Da fasst auch er sich ein Herz und folgt seiner Schwester durch den finsteren Gang.
Aber was ist das? Moritz erschrickt. Das ist ja gar keine Ruine! Nein, ein richtiger Burghof ist es, in dem reges Treiben herrscht: Ritter in Blechrüstungen üben sich im Schwerterkampf, Knechte füttern prächtige Pferde, Mägde schleppen Körbe und Eimer, an den Fenstern stehen Burgfräuleins und winken den Rittern zu, ein Bauer lädt eine Wagenladung Getreide aus, eine Zigeunerin liest den Rittern aus der Hand und ein dicker, glatzköpfiger Mönch geht in der Bibel lesend auf und ab. Und mitten in diesem Trubel steht Maja in einem tiefblauem Samtgewand und hohem Schleierhut. Es scheint, als gehöre sie dazu.
Moritz schüttelt sich noch einmal. Das kann nicht wahr sein! Sind sie im Mittelalter gelandet? Und was ist mit Maja los?
“Fehlt nur noch der böse König und sein wilder Drache”, brummt er. Ihm ist kalt. “Maja”, ruft er, “komm zurück. Schnell!”
Zu spät. Ein kleiner, dicker König schreitet mit gemessenen Schritten die Treppe herab. Er geht auf Maja zu.
“Sei gegrüßt, Drachenkind”, sagt er zu ihr.
Maja verbeugt sich vor dem kleinen Dicken und antwortet mit feierlich klingender Stimme:
“Ich grüße Euch, Dareg, mein Herr und Meister. Ihr habt mich, Drachenkind, gerufen. Ich bin zur Stelle.”
“Diese dumme Nuss!”, entfährt es Moritz. Er kann es nicht fassen. Aufgeregt sieht er sich um. Irgendwie scheint er unsichtbar zu sein, denn die Menschen im Hof beachten ihn nicht. Moritz fühlt sich ein bißchen sicherer. Er geht zu Maja und zieht sie an Ärmel.
“Die haben nichts Gutes mit dir vor. Lass uns abhauen!”
Maja aber scheint ihn nicht zu bemerken.
“Komm, Drachenkind!”, befiehlt der kleine dicke König. “Nirak ruft nach dir.”
“Nirak? Wer ist Nirak?” schreit Moritz, doch da folgt Maja schon diesem komischen König zu einer verriegelten Eisentür, die ins Burgverlies führt. Und jetzt weiß er, was geschehen wird. Ein Drachenopfer! Maja, seine Schwester, soll das Futter für einen ollen Burgdrachen sein! Nein!
“Nein! Nein! Nein!” schreit er und rast über den Burghof. Er muss vor Maja an dieser Eisentür sein. “Ich muss es schaffen, ich muss es schaffen”, sagt er sich immer wieder vor und rennt und rennt, rempelt da einen der Knechte an, läuft hier eine Magd über den Haufen, flitzt mitten durch die blinkenden Schwerter der kämpfenden Ritter, überholt Maja und den kleinen, dicken König und stellt sich mit ausgebreiteten Armen vor das Eisentor.
Grausig zischende Töne dringen aus dem Verlies. Der Drache fordert sein Opfer. Es muss ein besonders böser Drache sein.
“Du kriegst sie nicht”, schreit Moritz, und presst seinen Körper gegen die Tür. Die fühlt sich drachenglutheiß an. Was für ein Ungeheuer! “Nein, du kriegst sie nicht!”
Da kommen auch schon Maja und der König. Maja kniet vor dem kleinen dicken König nieder, küßt seine Füße und sagt:
“Gerne bin ich Euch zu Diensten, ehrenwerter Dareg, Ihr mein Herr und Gebieter!”
Der kleine, dicke König streicht über Majas Gesicht und antwortet hoheitsvoll:
“Folge deinem Schicksal, Drachenkind! Und gebiete Nirak meinen ergebensten Gruß!”
Dann lässt er von seinen Dienern die Eisentür öffnen.
“Ihr kriegt sie nicht”, schreit Moritz noch einmal, und ehe der König und seine Diener etwas tun können, schlüpft er durch die Eisentür, schlägt sie hinter sich zu und stemmt sich mit aller Kraft dagegen. Er weiß nicht, wie lange er das aushalten kann. Und da kommt auch schon der Drache aus einer dunklen Ecke hervorgekrochen.
“Uauuauahhhhh”, faucht er wild. “Du bist nicht Drachenkind. Schssss… – Uauauauahhhh. Man will mich betrügen!”
“Nein”, schreit Moritz. “Töten will man dich. Erstechen und in deinem Blut ertränken. Hörst du? Sie kommen. Hilf mir, die Tür zuzuhalten!”
Der Drache wird blass. “E-erstechen? E-ertränken? Diese Rohlinge! Hi-hilf mir! Es soll dein Schaden nicht sein!”
“Ich helfe dir”, ruft Moritz, “mach schnell! Halte diese Tür zu. Aber fest!”
Da kommt der ängstliche, wilde Drache blitzschnell angefußelt und stemmt sich mit aller Kraft gegen die Tür.
Moritz atmet auf. “Geschafft”, murmelt er. “Jetzt kommen sie nicht herein. Wir sind gerettet.”
Erschöpft lässt er sich auf die Stufen sinken und schließt für einen Moment die Augen … und schläft ein.
“Penner!”, hört er da plötzlich die vergnügte Stimme seiner Schwester rufen. “Wie kannst du hier in diesem dunklen Loch schlafen? Sieh dir lieber die Ruine an! Groß ist die! Das muss hier richtig toll gewesen sein, damals, im Mittelalter!”
Moritz sieht Drachenkind, das wieder wie Maja aussieht, an. Er muss grinsen.
“Und wie”, sagt er. “Man kann es sich kaum vorstellen. Aber lass uns zurückgehen. Ich habe genug gesehen.”
Und Maja und Moritz schlendern gemütlich zur Wiese zurück.

© Elke Bräunling

Eine kurze Fassung dieser Geschichte findest du hier: Max und die Zeitreise ins Mittelalter

Auch in dieser Geschichte findest du eine “unheimliche” Begegnung mit einem alten Burgbewohner aus der Ritterzeit: Der Ritter auf der Autobahn


Die alte Burg, Bildquelle © enriquelopezgarre/pixabay

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