Oma Wolke und das kleine Kartoffelwunder

Fröhliche Sommergeschichte – Warum Oma Wolke dann doch keine Kartoffelsuppe kochte

Beim Aufräumen fand Oma Wolke im Keller im Kartoffelkorb noch drei Winterkartoffeln.
„Oh! Die muss ich wohl vergessen haben“, murmelte sie. „Wie lange wartet ihr hier denn schon darauf, gekocht und aufgegessen zu werden? Hm. Hm. Runzelig seid ihr geworden.“
Sie wiegte die drei Knollen, die sich gar nicht mehr knollig anfühlten, in ihren Händen. Wie leckere feste Kartoffeln sahen sie auch nicht mehr aus. Klein waren sie geworden in ihrem Kellerleben und schrumpelig und aus ihren Kartoffelaugen sprossen weiße und rosafarbene Triebe, die tanzenden Würmern ähnelten.
„Die Triebe sind giftig“, murmelte Oma Wolke. „Sie müssen weg und die Augen muss ich sorgfältig und tief ausschneiden.“ Sie überlegte. “Für ein kleines Kartoffelsüppchen mit frischen Gartenkräutern, geschmälzten Zwiebeln und Speckstückchen wird es reichen.“
Sie schluckte. Das Wasser lief ihr schon im Munde zusammen und sie hatte auf einmal großen Appetit auf dieses Süppchen.
Sie nahm die Kartoffeln und trug sie in die Küche.
„Nein, nein! Bitte! Nein!“
Oma Wolke stutzte. Hörte sie da plötzlich Stimmen? Sie hielt inne. Lauschte. Kleine, traurige, verzweifelte Stimmen waren es, die da riefen. Laut wurden sie und lauter.
„Lass uns am Leben! Grab uns ein! Wir wollen noch ein Weilchen bei dir sein“, riefen sie, dann fingen sie an zu weinen.
„Eingraben?“, murmelte Oma Wolke. „Jetzt?“
Mit bedauernder Miene blickte sie die Kartoffeln an.
„Es ist zu spät dazu. Die Pflanzzeit ist längst vorüber.“ Sie schüttelte den Kopf und blickte auf die drei Knollen mit den langen Trieben in ihrer Hand. „Das wird nicht funktionieren. Nicht mehr.“
Wieder weinten die Kartoffeln los, lauter nun und flehender.
„Grab uns ein! Wir wollen bei dir sein!“, riefen sie wieder.
„Und wir werden uns auch große Mühe geben und in der Erde wachsen, wachsen, wachsen“, ergänzte eine.
„Und vielen Kartoffelkindern werden wir das Leben schenken“, flehte die zweite.
„Der Sonne werden wir zulachen, damit sie uns schneller wachsen lässt“, rief die dritte.
„Mit dem Regen werden wir Freundschaft schließen und noch mehr wachsen, wachsen, wachsen.“
„Süß werden unsere Kartoffelkinder sein! Zuckersüß. So köstliche Kartoffeln hast du noch nie gegessen.“
“Und du kannst viele Male Kartoffelsuppe kochen. Sehr viele Male.”
Hm? Oma Wolke spürte auf einmal so etwas wie ein tiefes Mitleid. Sie blickte auf die Knollen in ihrer Hand und staunte.
„Mir ist, als hörte ich Geister“, murmelte sie. „Kartoffelgeister.“
Da kicherten die drei “Geister” und Oma Wolke kicherte mit.
Dann ging sie in den Garten, holte Schaufel und Gießkanne und vergrub die drei Kartoffeln tief in der Erde im Kräuterbeet. Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren in der Mitte des Sommers.
“Macht es gut!”, sagte sie mit einem Lächeln. Und da war ihr, als hörte sie ein dumpfes “Danke, danke, danke” aus der Erde antworten.
Und wie die Geschichte weiterging, ist eine andere Geschichte. Ich glaube, die kannst du nun erzählen.

© Elke Bräunling


Kartoffelherz, Bildquelle © Keeper667/pixabay

Meine Texte und die virtuelle Kaffeekasse

Kontaktieren Sie mich bitte, wenn Sie einen oder mehrere meiner Texte online oder printmäßig verwerten oder anderweitig publizieren möchten.

Und wenn Sie mir einen Becher Kaffee schenken möchten, einfach so, weil Ihnen die Geschichte gut gefallen hat, so freue ich mich sehr darüber. Herzlichen Dank! 💛

Vielleicht haben Sie Lust, mein Blog zu abonnieren?

So verpassen Sie keinen Beitrag mehr! Einfach Mail-Adresse eintragen, absenden und den Link in der Bestätigungsmail anklicken. Ich freue mich auf Sie! Auf Dich!