Die Glückskastanie und das vergessliche Eichhörnchen

Kastaniengeschichte für Klein und Groß – Viel weiß der große, alte Kastanienbaum zu erzählen

 

Am Ende der Seite findest du diese Geschichte gekürzt und in einfacher Sprache

 

Nach einer stürmischen Nacht war der Herbstwind weiter gezogen. Er hatte es eilig, denn der Oktober wollte ein ‚goldener’ Oktober sein mit blauem Himmel, Sonne und rot-gelb-grün-braun leuchtendem Herbstlaub. Und so wanderten gleich am nächsten Tag wieder fröhliche Sonnenstrahlen durch den Wald.
Die Waldbewohner waren bester Stimmung. Die Herbstbäume zeigten stolz ihr buntes Kleid. Vögel trällerten ihre Lieder. Herbstspinnen schmückten Bäume, Sträucher, Gräser und Wiesen mit ihren silbern schimmernden Netzen. Und überall in Bäumen und Büschen, im Gras und zwischen den Brombeerhecken raschelte und knisterte und knackte es. Es waren die Waldtiere, die sich auf die Winterzeit vorbereiteten. Sie fraßen sich noch einmal richtig satt oder sie sammelten Wurzeln, Beeren, Pilze, Nüsse, Eicheln, Bucheckern und Kastanien für ihre Wintervorratsverstecke. Alle waren sie zufrieden mit diesem sonnigen Herbsttag.
“Hey! Halt! Lass mich los!”, hörten die Waldbewohner plötzlich eine Stimme rufen. Sie klang ängstlich, diese Stimme. Und erschrocken. Und ein bisschen ärgerlich auch.
Es war die Kastanie, die der Wind in der Nacht vom Baum herunter gepustet hatte. Ohne ihr schützendes Stachelkleid lag sie nackt glänzend auf dem Boden. Und vor ihr stand ein Wildschwein, das großen Appetit auf diese leckere Kastanie hatte.
“Hey! Halt!”, rief sie wieder. “Ich will nicht gegessen werden. Nein, ein Baum möchte ich einmal sein. Ein wunderschöner, großer Kastanienbaum. Geh weg, du großes dunkles Tier!”
Das Wildschwein, das noch sehr jung war, zuckte zusammen und rannte davon.
Die Waldtiere lachten. Besonders laut lachte die Maus.
„Hihi!“, kicherte sie. „Da hat doch dieses große wilde Schwein Angst vor einer klitzekleinen Kastanie.“ Sie schnupperte. „Du riechst lecker“, sagte sie. „Ich nehme dich mit in meinen Winterbau.“
Wieder heulte die Kastanie auf und die Maus, die laute Töne nicht leiden mochte, nahm Reißaus.
Noch viele Tiere versuchten ihr Glück mit der Kastanie, die wirklich eine besonders schöne und große und wohl duftende Kastanie war. Doch keines brachte es übers Herz, sie aufzuessen.
„Du bist eine Glückskastanie! Und ich bin ein ‚Glücks’-Hörnchen“, rief da das Eichhörnchen.
Es stopfte sich zwei Blätter in die Ohren, um das Schimpfen nicht mehr zu hören, schnappte sich die Kastanie und sprang mit ihr zu einem seiner Wintervorratsverstecke am Fuße einer alten Baumwurzel. Dorthin legte es die Kastanie neben andere Waldfrüchte und verabschiedete sich.
„Ich komme wieder!“, versprach es. „Im Winter irgendwann. Wenn sich der Hunger meldet.“
Hunger? Winter?
„Ich muss mich wehren!“, murmelte die Kastanie. „Ich bin eine Glückskastanie und werde zu einem schönen großen Kastanienbaum heranwachsen.“
Sie war müde geworden und schlief ein. Sie schlief und schlief und erwachte erst, als Frühlingsregen die Vorratshöhle des Eichhörnchens wässerte.
Die Kastanie atmete auf. „Glück gehabt!“, lachte sie. „Es hat mich vergessen, das Eichhorn.“ Dann badete sie sich ausgiebig im warmen Regenwasser und weckte den Baumtrieb, der in ihr schlummerte, zum Leben.

„Und nun wisst ihr“, schloss der Kastanienbaum viele viele Jahre später seine Erzählung, „wie aus mir ein schöner großer Baum geworden ist. Weil ich mich gewehrt habe.“ Er machte eine kleine Pause. „Und weil ich Glück hatte.“

© Elke Bräunling

Die Glückskastanie und das Eichhörnchen
Kindergeschichte in einfacher Sprache

„Halt! Lass mich los!“, rief eine kleine, ängstliche Stimme im Herbstwald.
Es war eine Kastanie. In der Nacht hatte der Wind sie vom Baum geweht. Nun lag sie ohne ihre stachelige Hülle auf dem Boden. Sie war nackt und glänzte.
Vor ihr stand ein hungriges Wildschwein. Es schubste die Kastanie mit seinem dicken Rüffel.
„Mich soll niemand aufessen!“, rief die Kastanie. „Nein, ich möchte ein Baum werden. Ein schöner Kastanienbaum! Geh weg, du großes Tier!“
Das Wildschwein erschrak. Es zuckte zusammen und lief schnell davon.
„Oh, du bist eine Glückskastanie!“, rief ein Eichhörnchen.
Es hob die Kastanie auf und trug sie zu einem seiner Verstecke unter einer Baumwurzel.
„Ich komme im Winter wieder, wenn ich Hunger habe“, versprach es.
„Hunger? Winter?“ Die Kastanie hatte Angst.
„Ich bin eine Glückskastanie“, sagte sie zu dem Eichhörnchen. „Du sollst mich nicht aufessen. Ich möchte ein Baum werden.“
Dann schlief sie ein.
Erst im Frühling erwachte die Kastanie wieder. Der Regen füllte ihr Versteck mit Wasser, und die Kastanie atmete tief auf. Sie freute sich.
„Glück gehabt!“, sagte sie und lachte. „Das Eichhörnchen hat mich im Winter vergessen.“
Im warmen Regen begann es in der Kastanie zu wachsen. Ein kleiner Baumtrieb streckte sich aus ihr heraus.

„Und nun wisst ihr“, erzählte der große Kastanienbaum viele Jahre später, „wie aus mir ein großer Baum wurde.“ Er machte eine Pause. „Weil ich Glück gehabt hatte.“
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© Elke Bräunling

 

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 Bildquelle © RiomarBruno/pixabay

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