Kastanienmann und Lebkuchenmann
Lebkuchenmärchen – Eigentlich haben sie den gleichen Job, der Kastanienmann und der Lebkuchenmann
Einmal traf ein kleiner Kastanienmann auf dem Weihnachtsmarkt einen Gesellen, der ihm von der Statur her ähnelte. Es war ein bisschen nur, denn der Bauch des Fremden war flach und er trug ein süß duftendes braunes, weiß verziertes Gewand. Hmm! Er duftete sogar überwältigend gut.
„Du riechst so gut! Wer … wer bist du?“, fragte er und er war ein wenig neidisch auf den duftenden Kerl.
„Das wollte ich dich gerade auch fragen“, antwortete der.
„Ich bin ein Maronimann“, sagte der kleine Kastanienmann. „Ich komme aus dem großen Wald weit weg von hier und habe mein Leben mit meinen Freunden im Wipfel eines prächtig hohen Baumes verbracht.“
„Oh!“ Der braune Fremde staunte. „Du bist also ein weit gereister Kerl. Wie interessant. Und dennoch hast du es nicht weiter gebracht als hierher auf diesen Tisch? Was machst du hier? Überhaupt, was machen wir alle hier?“ Er deutete auf die vielen anderen stummen, braunen Gesellen, die neben ihnen ihren Platz hatten.
„Siehst du all die hier, die mir aufs Haar gleichen?“, fragte er. „Sie warten. Manchmal kommt ein Mensch und zahlt für einen von ihnen ein paar Münzen, ja, und dann ist er verschwunden. Die anderen aber warten weiter.“
„Es ist unsere Bestimmung, hier zu landen“, sagte der kleine Kastanienmann und seine Stimme klang fast ein bisschen stolz. „Es heißt, wir sollen den Menschen hier Freude bringen. Und eine Botschaft.“
„Eine Freude? Das verstehe ich ja. Aber eine Botschaft? Was für eine Botschaft?“, fragte der Fremde.
Der Kastanienmann zuckte mit den Schultern. „Ich hoffte, das würde man mir hier mitteilen. Ich weiß auch nicht, was eine Freude bedeuten soll.“
Der Fremde lachte. „Das frage ich mich gerade auch. Oder kann man dich auch essen so wie mich?“
„Essen? Du meinst damit, ein Mensch wird kommen und dich in seinen Mund stecken, zerkauen und schlucken?“ Der Kastanienmann war nun doch sehr erschrocken.
„Essen bringt den Menschen Freude und wenn dies eine Botschaft ist, so soll es gut sein.“ Der Fremde verbeugte sich. „Oh, pardon, ich vergaß mich vorzustellen: Ich bin ein Lebkuchenmann. Wir Lebkuchenmänner sind dazu da, das Leben zu erfreuen.“
„Oh!“, sagte der Kastanienmann. Dann schwieg er. So genau nämlich wollte er das nun lieber nicht wissen. Ein Glück war nur, dass er nicht süß und lecker duftete. Oder?
© Elke Bräunling
Lebkuchenmann, Bildquelle © JillWellington/pixabay