Die Sache mit den alten Büchern
Kindergeschichte mit Erinnerungen – Alte spannende Bücher sind oft in einer alten Schrift gedruckt. So ein Pech!
Gerade hat mir die alte Frau Knoop von nebenan einen zerbeulten Koffer voller Bücher geschenkt. Uralte Bücher sind es, glaube ich, und bestimmt sind da ein paar tolle Lese-Schätze dabei. Sonst hätte sie sie doch nicht aufgehoben, oder? Von ihrer Großmutter stammen sie, sagt Frau Knoop, die so alt ist, dass sie nun ins Seniorenheim umzieht. Also sind die Bücher mindestens dreimal so alt wie Frau Knoop.
Ich freue mich wie ein Königstiger über den Bücherkoffer, denn es interessiert mich, was die Leute damals so alles gelesen haben. Bestimmt waren das tolle Abenteuer, denn einen Fernseher hatte es noch nicht gegeben. Kino vielleicht? Keine Ahnung.
„Was willst du denn mit den alten Schinken?“, fragt Mama und ihre Stimme kiekst ein bisschen. „Sieh dir mal die Schrift an! Die kannst du nicht lesen.“
„Ich kann das“, behaupte ich, ziehe ein Buch aus dem Koffer und lese gleich mal einen Abschnitt vor. Ich gebe zu, dass es ein mühsam ist. Und eigentlich rate ich die Worte mehr, als dass ich sie lese. Sie sehen aber auch zu komisch aus. Ist das deutsch?
Ich merke, wie ich den Mut verliere. Aber die Überschrift, die kann ich entziffern, und die klingt total spannend: „Die Flugscheibe vom fernen Stern Tarturia.“ Toll! Das Buch muss ich unbedingt lesen. Nur wie?
„Ich nehme mal ein Buch mit in die Schule, vielleicht kann mir unsere Deutschlehrerin weiterhelfen!“, kündige ich an.
„Mach das!“ Mama wendet sich wieder ihrer Gemüseschnippelei zu.
„Was gibt es denn heute?“, will ich wissen.
„Pichelsteiner mit Nudeln. Ein ganz altes Rezept. Ich habe es neulich in einem Kochbuch meiner Urgroßmutter gefunden und ich glaube, es wird dir schmecken.“
Mama scheint nun wieder bessere Laune zu haben.
„Weißt du, ich finde es wichtig, dass wir die alten Rezepte nicht vergessen und auch wieder beleben”, sagt sie. “Ein bisschen glaube – oder fühle – ich, dass es meine Urgroßmutter freut. Es ist so etwas wie ein Erbe.“
Ich nicke. Ja, das glaube ich auch. Aber ist es mit den alten Büchern nicht das gleiche?
Es wäre doch zu schade, wenn sie in Vergessenheit gerieten.
Also sichere ich den Koffer erstmal in meinem Zimmer und dann werde ich mich nach und nach um die Bücherschätze kümmern. Zuerst nehme ich das Buch, dessen Titel ich entziffern kann. Ich schlage es auf, schnuppere daran, ein leichter muffiger Geruch ist wohl normal für so ein altes Buch. Hm! Irgendwie hat er ja auch so einiges zu erzählen. All die Momente, an denen wieder so ein Stückchen ‚Luftduft‘ beschlossen hatte, sich in dem Buch auszuruhen und zu bleiben. Er lebt weiter, dieser alte Geruch von irgendwann damals. Was er wohl erzählen könnte? Noch nie habe ich darüber nachgedacht. Wie alt er sein mag? Überhaupt: Wie alt wohl das Buch ist?
Ich blättere durch die ersten Seiten. Da. Da steht es. Königsberg* 1912. Oh! So alt? Und was ist Königsberg? Ein Berg oder was? Gab es 1912 noch Könige? Das muss ich doch gleich mal nachschlagen, im Atlas oder gleich im Internet.
Ich schaue lieber in den Atlas, weil meine Internetzeit begrenzt ist. Mama möchte nicht, dass ich ewig vor diesem ‚Kasten’ sitze. Allerdings finde ich Königsberg nicht, wo mag das denn sein? Vielleicht sollte ich doch kurz die Suchmaschine bemühen, das ist ja schließlich ‘Studienzeit’ und kein ‚Herumdaddeln‘.
Doch dann habe ich eine andere Idee. Ich würde Frau Knoop fragen. Vielleicht kennt sie dieses Königsberg ja und vielleicht kann sie die alte Schrift in den Büchern auch lesen. Und wenn ich großes Glück habe, kann sie mir diese fremden Buchstaben auch beibringen. Das wäre doch toll! Und auch wichtig, irgendwie. Eine Schrift soll nicht vergessen werden. Ich glaube, sie ist ebenso ein Erbe wie Mamas alte Rezepte. Und ich würde die Bücher dann meinen Freunden vorlesen, damit sie auch erfahren, was die Menschen damals vor über hundert Jahren gerne gelesen haben. Genau das.
Ja, ja, ich bin ein Träumer, aber oft passiert es mir dann gerade so, wie ich es mir erträume. Das ist spannend, oder? Und nun gehe ich zu Frau Knoop.
© Elke Bräunling
* Weißt du, wo Königsberg liegt?
Wenn du es suchen möchtest, dann schau auch mal unter “Kaliningrad” nach, denn Königsberg gehört seit dem zweiten Weltkrieg zu Russland
Alte Schätze, Bildquelle © DKrue/pixabay