Die kleine Waldmaus, der Igel und die Maiglöckchen

Frühlingsmärchen – Ein Frühlingstreffen bei den Maiglöckchen

Auf dem Weg zu Waldwiese war die kleine Waldmaus immer wieder stehen geblieben. So viel gab es im Frühlingswald zu sehen und zu riechen.
„Warum hat mir keiner gesagt, wie schön der Frühling ist?“, fragte sie.
Wieder machte sie Halt. Die Blüten mit den weißen Blümchen dufteten so süß, dass sie nicht anders konnte, als ihre Nase tief in die Blütenbecher, die kleinen Glöckchen ähnelten, zu tauchen.
„Hm!“ Sie schloss die Äuglein. „Man könnte sie glatt aufessen, so fein duften sie.“
„Essen? Habe ich hier etwas von Essen gehört?“
Es raschelte im Laub unter den Schlehenbüschen und wenig später schob sich eine Igelschnauze durch die vertrockneten Eichenblätter.
Oh! Oh! Nicht jeder Igel war Mäusen wohl gesonnen, hatte Opa Maus gewarnt.
Für einen Moment glaubte die kleine Maus, das Herz bliebe ihr stehen. Dann spürte sie, wie es schnell und immer schneller schlug, ihre Beinchen fühlten sich weich an und zitterig. Vor Aufregung vergaß sie, an Flucht zu denken und sich einen sicheren Platz zu suchen.
Hoffentlich habe ich nichts falsch gemacht, dachte sie, während sie wie gebannt zum Schlehenbusch starrte.
„Hallo, kleine Waldmaus“, rief ihr da der Igel entgegen. „Du musst dich nicht fürchten. Ich bin es nur, ich, dein Freund, der kleine Igel.“
„O-o-oh!“, stammelte die kleine Waldmaus. „D-d-du bist es nur. Was für ein Glück, dass du es bist.“
„Ja, ja, wenn wir einander treffen, haben wir immer Glück.“ Er kicherte. „Erinnerst du dich, hihi, noch an unser letztes Treffen in den Tagen des scheidenden Sommers?“
Oh, daran erinnerte sich die kleine Waldmaus sehr gut. Unter dem Kastanienbaum hatten sie sich im Herbst getroffen und Kastanien gesammelt und geteilt. Das war ihr Geheimnis. Keines der Waldtiere wusste davon, vor allem nicht Opa Maus. Der sah sonst fast alles, was im Wald vor sich ging. Bestimmt hätte er laut „Hüte dich vor hungrigen Igeln, kleine Maus“ gerufen.
Die kleine Waldmaus nickte. „Haben wir nun wieder ein Geheimnis?“, fragte sie.
„Schon wieder und immer noch“, antwortete der Igel, „und das ist gut so.“ Er kam näher. „Bist du auf Nahrungssuche, kleine Maus?“
Die Maus nickte. „Hungrig bin ich immer. Nicht nur nach Nahrung. Mehr noch nach dem Frühling und den Sonnenstrahlen.“
Der kleine Igel verzog die Schnute. „Mit Sonne haben wir Igel es nicht so gerne. Wir sind Nachttiere, wie du weißt.“
Die kleine Waldmaus nickte. „Wir Waldmäuse sind auch Nachttiere und das ist nicht immer nett. Die Nacht kennt keine Sonnenstrahlen.“
„Du liebst die Sonne?“, schnarrte der Igel.
„Und den Frühling. Und ganz besonders liebe ich die Frühlingssonne und den süßen Duft, den der Frühling in unseren Wald bringt.“
Sie steckte die Nase wieder in das Glöckchen des weißen Blümchens und hatte plötzlich so großen Appetit auf dieses süße Süß, dass sie am liebsten in die Blüte gebissen hätte.
„Halt! Hüte dich vor den Glöckchen des Frühlings!“, rief der kleine Igel da laut. „Die Menschen sagen, sie seien giftig. Maiglöckchen nennen sie sie.“
„Giftig?“, fragte die kleine Maus.
Der Igel nickte. „Giftig heißt, es bedeutet nichts Gutes und es wird dir schlecht bekommen.“
„Schade“, sagte die kleine Maus. „Ich hätte gerne wieder mit dir mein Essen geteilt.“
„Was nicht ist, kann ja noch werden“, tröstete der Igel. „Lass uns auf Nahrungssuche gehen.“
Und gemeinsam trotteten die kleine Maus und der kleine Igel weiter zur noch schattigen Waldwiese. Die Sonne konnte der kleine Igel nämlich wirklich nicht gut vertragen. Und für ihren Freund verzichtete die kleine Maus gerne auf warme Sonnenstrahlen. Einen Freund zu haben, war wichtiger. Es machte jeden Schatten hell.

© Elke Bräunling

Hier kannst du die Geschichte von der ersten Begegnung zwischen der kleinen Waldmaus und dem kleinen Igel lesen: Die kleine Waldmaus und das Stacheltier – Erste Begegnung zwischen Igel und Waldmaus

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Kleine Waldmaus, Bildquelle  © Alexas_Fotos/pixabay

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