Papa und die glücklichen Nudeln
Familiengeschichte – Papa kocht und sagt: “Die glückliche Nudel trägt ein grünes Kleid”
Papa kocht. Nudeln. Papa kocht oft Nudeln. Nudeln mit Buttersoße, Nudeln mit Kräutersoße, mit Käsesoße, mit Sahnesoße, Fleischsoße, Gemüsesoße, Pilzsoße und manchmal auch mit Vanille- oder Zimtsoße. Oder ganz einfach nur Nudeln pur mit geriebenem Parmesankäse. Und dazu gibt es einen Salat. Einen Kopfsalat mit Kräutern. Immer. Ohne Salat keine Nudeln und ohne Nudeln kein Salat.
„Nudeln machen glücklich“, sagt Papa. „Und Nudeln mit grünem Salat machen sogar überglücklich.“
Überglücklich? Klar. Das wollen alle sein, auch wenn man auf grünen Salat gerne verzichten könnte.
„Salat ist Hühnerfutter“, sagt Pit, der Papas Salat nicht gerne isst. „Da muss man so viel kauen.“
„Nudeln ohne Salat, aber mit viel Ketchup würden noch viel glücklicher machen“, meint Pia.
„Und Nudeln ohne Salat mit Apfelmus“, schwärmt Mama, „lassen alle kleinen Glücksgeister in mir lachen.“
Papa, der gar nicht glücklich aussieht, wenn jemand seinen Salat ablehnt, knurrt:
„Nudeln und Kopfsalat gehören zusammen wie Pfeffer und Salz, wie Essig und Öl und wie Himmel und Erde.“
Stimmt. Nur schmeckt Papas Salat nicht nach Himmel und Erde und auch nicht nach Pfeffer, Salz, Essig und Öl. Papa meint es nämlich sehr gesund mit seiner Familie. Er gibt in die Salatsoße einen Klecks gesunden Honig und ein paar Löffel noch gesünderen Zitronensaft, dazu frische Kräuter und Nüsse, die den ungesunden Pfeffer und das noch ungesündere Salz ersetzen. Zum Schluss träufelt er ein paar Löffel megagesundes Leinöl über die Salatblätter. Das enthält wichtige Omega-Fettsäuren und schmeckt, wie alles wichtig Gesunde, ziemlich ungesund und bitter.
Wirklich keine Speise, die glücklich macht, denken Mama, Pia und Pit. Doch sie denken es nur. Papa zuliebe. Trotzdem fällt es nicht leicht, diesen Salat zu essen.
„Das können die besten Nudeln auf der Welt nicht wettmachen“, sagt Pit. Seine Stimme klingt leidend, während er einem Kaninchen gleich mit den Vorderzähnen an einem bitter-saueren Salatblatt knabbert.
„Was ist glücklich?“, fragt Pia und stochert auf ihrem Teller herum.
„Du machst dir zu viel Arbeit“, meint Mama vorsichtig. „Man könnte Nudeln mit Soße durchaus auch einmal ohne Salat auftischen.“
„Nichts da!“ Papa schüttelt den Kopf. „Die glückliche Nudel trägt ein grünes Kleid.“ Er lächelt. „Schmeckt er nicht lecker, mein Salat? Und er ist so gesund!“
Und weil ‚gesund‘ wichtig ist, futtert Papa wie fast jedes Mal, wenn es Nudeln mit grünem Salat gibt, die ganze Salatschüssel alleine leer. Auf Nudeln hat er dann nur noch wenig Appetit.
„Irgendwie“, murmelt Pit, während er Papa beim Salatessen zuguckt, „machen Nudeln ja doch glücklich.“
„Stimmt“, sagt Pia mit einem Grinsen. „Ein besonderes Glück ist es, wenn Papa nach seinem Salathunger nur noch wenig Nudelhunger hat.“
Mama schweigt an dieser Stelle lieber, und das ist dann auch ein Glück.
© Elke Bräunling
Nudelglück, Bildquelle © Couleur/pixabay