Die aufgetankte Batterie

Kindergeschichte – “Batterien auftanken ist wie Seele baumeln lassen”, sagt Papa

Der Sonntag war ein grauer Tag. Jedenfalls sah alles kalt und grau aus, wenn man aus dem Fenster schaute. Der Himmel, die Wolken, die kahlen Bäume, die auf den Frühling warteten, und die schmutzig graue Wiese mit den Schneeresten. Grau. Alles grau.
Nur Papas Laune war es nicht. Die war bunt. Leuchtend bunt sogar.
„Hey, was schaut ihr so trübsinnig drein?“, fragte er beim Frühstück, das irgendwie auch grau aussah und ebenso schmeckte. „Es ist Sonntag! Ein freier Tag! Keiner muss arbeiten. Ist das so?“
Wir nickten zögernd. Papas gute Laune war verdächtig.
„Ist so“, knurrte Felix.
„Bis auf die paar Hausaufgaben, die noch übrig geblieben sind“, nuschelte ich. Ich sagte es sehr leise, denn eigentlich hatten wir den Deal, dass Hausaufgaben spätestens am Samstagabend erledigt sein sollten. Damit man, wie Papa sagte, den Sonntag frei hatte. ‚Einmal in der Woche sollte die Seele baumeln dürfen‘, pflegte er immer zu sagen. Aber mal ehrlich, wie konnte die Seele an einem kalten, grauen Tag baumeln. Gar nicht, oder?
„Ein bisschen hätte ich auch noch am Computer zu tun“, sagte nun auch Mama. Sie sagte es auch leise.
„Nichts da! Heute wollen wir Spaß haben.“ Papa war immer noch sehr gut gelaunt. „Wenn ich euch so ansehe, würde ich sagen, es ist höchste Zeit, dass wir alle unsere Batterien wieder einmal so richtig gut auftanken.“
Oh je. Das klang nach Stress! Bestimmt würde Papa uns gleich eines dieser nervigen Fitnessprogramme vorschlagen. Und da kam es auch schon .
„Wandern!“, sagte er. „Wir gehen wandern.“
„Wandern?“ Unser Protest ertönte gleichzeitig wie ein perfekter Dreiklang.
„Es ist viel zu kalt und grau draußen“, maulte Felix los.
„Ich bin auf Wandern gerade gar nicht eingerichtet“, wehrte Mama ab.
„Ich glaube, ich kriege Schnupfen. Da ist Wandern ganz schlecht“, versuchte ich es.
Doch wenn Papa eine Idee hatte, war er nicht mehr zu halten. Er redete auch von nichts anderem mehr und quasselte uns so lange tot, bis wir nachgaben. So auch heute. Noch bevor wir so richtig klar denken konnten, hockten wir schon in Wanderklamotten mit Imbissrucksäcken und all dem Kram, den man zum Wandern an grauen Tagen brauchte, im Auto.
Unsere Laune war schlecht. Megaschlecht.
Papa grinste. „Nun macht mal andere Gesichter!“, befahl er. „Wir werden viel Spaß haben. Ihr werdet es sehen!“
Und ja, er hatte recht: Den Spaß hatten wir schon ein paar Sekunden später. Das Auto, das schien nämlich auch keine Lust auf einen Ausflug zu haben und sprang nicht an. Die Batterie war leer. Lotterleer.
Von Null auf Hundert war unsere Laune auf einmal gar nicht mehr grau. Oh, was für ein Glück! Wandern fiel aus.
Nur Papas Laune hatte nun diese uncoole Farbe angenommen.
„Sagt nichts!“, knurrte er. „Sagt jetzt bitte einfach nichts.“
Und dann war vielleicht was los, als Felix so etwas wie „Das Auto will halt dieses Seelebaumeln auch mal haben und muss erst seine Batterien auftanken“ sagte. Papa war gleich … halt, nein, das ist eine andere Geschichte.

© Elke Bräunling


Aufgetankt, Bildquelle © couleur/pixabay

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