Der Schokoladentag

Trostgeschichte an Schlechtwettertagen – Was hilft bei schlechter Laune an einem kalten Nebeltag?

Großtante Katharina saß in einen Plaid gekuschelt im Sessel und zeigte keine Lust, die Augen zu öffnen.
„Was ist heute für ein Tag?“, fragte sie schläfrig.
„Ein Schokoladentag“, antwortete Oma. Aber ihre Stimme klang nicht nach Schokolade, sondern eher nach Zwiebelsalat, Chilibohnen oder Bismarckhering und überhaupt nicht süß. Oma konnte es nämlich nicht leiden, wenn man anderen seine weniger guten Gefühle allzu deutlich zeigte. Und Großtante Katharina war so etwas wie eine Weltmeisterin darin, ihre schlechte Laune allen zu zeigen. Am trefflichsten tat sie dies, indem sie sich in eine Decke hüllte oder mit geschlossenen Augen in ihrem Sessel hockte. Sie beherrschte es meisterhaft, Oma, die ihre jüngere Schwester war, damit auf die Palme zu bringen. Darin war sie sehr gut und die Stimmung, die dann bei uns deswegen auch heute wieder herrschte, hatte mit Schokolade nichts zu tun.
„Ein Schokoladentag?“, fragte die Großtante. Ihre Stimme klang interessiert nun. „Fein! Das hatten wir lange nicht mehr.“ Sie deutete zum Fenster in das Regen-Schneegemisch hinaus, das seit gestern ohne Pause vom Nebelhimmel herab nieselte. „Was macht man an einem Schokoladenwettertag wie diesem?“
„Trotzen“, antwortete Oma. „Dem Wetter die Stirn bieten. Los, zieh dir warme Hosen und Stiefel an und die dicke Regenjacke! Es geht gleich los!“
„Was geht gleich los?“ Tante Katharina, die längst wusste, was Oma vorhatte, tat ahnungslos.
„Unser Spaziergang durch die Hölle“, sagte Oma und ihr Grinsen erinnerte auch gleich ein bisschen an die Hölle. „Die besten Mittel gegen schlechte Laune und Winterblues sind Tageslicht und frische Luft.“
„Und Schokolade“, warf die Großtante ein. „Hattest du uns nicht gerade einen Schokoladentag versprochen?“
Oma nickte. „Ja. Das habe ich. Und deshalb wandern wir jetzt zum Postamt, machen einen Umweg über den Friedhof und sehen nach, ob der Gärtner die Tannenzweige aufs Grab gelegt hat. Danach lade ich euch ein ins Café Müller auf eine heiße Schokolade mit Sahneschlag.“
„Und mit Schokoladenkuchen“, ergänzte Tante Katharina und ein Lächeln schlich sich in ihr Gesicht.
Dass sie es liebte, durch einen Schneeregentag zu wandern und kleine Besorgungen zu machen, die im Café Müller endeten, verriet sie lieber nicht. Und auch ich schwieg. Wenn man zu viel redete, konnte aus einem Schokoladentag nämlich schnell ein Zitronentag oder ein Bismarckheringtag werden. Psst!

© Elke Bräunling


Schokoladentag, © TerriC/pixabay

 

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