Bunte Erinnerungen
Kindergeschichte – Ganz verschieden bunte Fingernägel hat Oma Gerstegen
Als Lina wieder einmal die Nachbarn besuchte, hatte sich Oma Gerstegen gerade die Hände manikürt. Zehn Fläschchen Nagellack mit zehn verschiedenen Farben standen vor ihr auf dem Tisch. Und jede Farbe hatte ihren Platz auf einem von Oma Gerstegens Finger gefunden. Toll sah das aus. Verrückt toll.
Fasziniert starrte Lina auf die Hände, die nur ein schmaler Goldring schmückte. Es waren feine Hände mit wunderschönen langen bunten Fingernägeln. Jeder Nagel trug eine andere zart schimmernde Farbe, so dass die Hände einem Regenbogen glichen. Einem lebhaften Regenbogen, denn Oma Gerstegen war eine lebhafte alte Dame.
„Oma Gerstegen, warum hast du so bunte Finger?“, fragte Lina. Diese Frage wollte sie schon lange stellen, doch irgendwie hatte sie sich nicht getraut.
„Gefallen sie dir?“, fragte die alte Dame zurück.
Lina nickte und ihre Augen leuchteten nun fast genau so bunt wie Oma Gerstegens Finger.
„Ja, sehr!“, antwortete sie. „Bunt ist toll!“
„Toll und schrill“, sagte Opa Gerstegen. „Wie ein fröhlicher Paradiesvogel.“
„Gefallen dir die bunten Farben auch so gut?“, hakte Lina nach.
Opa Gerstegen zögerte. „Mir gefällt die Idee“, sagte er dann.
„Was für eine Idee?“ So recht verstand Lina gerade nicht, was die beiden meinten.
„Fröhlichkeit“, antwortete Oma Gerstegen und lachte. „Bunt stimmt fröhlich, selbst wenn es der Tag einmal nicht sein möchte. Und ein bisschen“, fügte sie leise hinzu, „ein bisschen fühle ich mich damit auch gleich viel jünger und gesünder nach der schlimmen Krankheit, die hinter mir liegt. Ist das nicht großartig?“
Lina staunte. So einfach war das? Noch während sie über eine Frage dazu nachdachte, fügte Opa Gerstegen hinzu:
„Die bunten Farben erinnern uns jeden Tag daran, niemals zu verzagen oder gar aufzugeben. Jeder Mensch braucht Zeichen des Erinnerns. Zum Beispiel bunte Fingernägel.“
Dazu müsste Lina dann doch keine Frage mehr stellen. Aber sie dachte darüber nach, was sie sich als ihr Erinnerungszeichen ausdenken könnte.
© Elke Bräunling
Frauenhände, Bildquelle © TanteTati/pixabay
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