Die rechte Weihnachtsfreude

Lustige Weihnachtsgeschichte und Geschenke, die Papa und Mama nie mehr vergessen würden

In diesem Jahr hatten wir keine Idee, was wir Papa zu Weihnachten schenken sollten. Etwas Besonderes sollte es sein, etwas, das ihn immer an uns erinnerte. Und kosten durfte es auch nichts. Papa sagte nämlich, etwas Gebasteltes sei viel schöner. Über unsere Geschenke hatte er sich auch immer gefreut, doch dann landeten sie in einer Ecke im Schlamperschrank, in dem alles Überflüssige aufbewahrt wurde.
Dieses Mal musste es deshalb ein Geschenk sein, das er so schnell nicht vergessen würde. Aber was?
Wir dachten lange nach, doch uns fiel nichts ein. Und so nervten wir Papa immer wieder mit der gleichen Frage: „Was wünschst du dir zu Weihnachten?“
Papas Gesicht wurde immer unfreundlicher. „Wünschen ist langweilig“, knurrte er schließlich. „Ich lasse mich lieber überraschen.“
Aber womit? Die Zeit verging, und Weihnachten war nicht mehr weit. Wir waren ratlos. Weil wir noch immer nicht wussten, was wir Papa schenken könnten, begannen wir, ihn zu belauern. Bei allem, was er sagte. Wir hofften, dass ihm irgendwann ein Wunsch herausrutschen würde. Und wir hatten Glück:
Mama fragte nämlich eines Tages: „Soll ich Tante Ida zum Tee einladen?“
Papa verdrehte die Augen und sagte: „Die fehlt mir noch zu meinem Glück!“
Tante Ida? Es würde Papa glücklich machen, sie zu sehen? Als ersten Wunsch notierten wir: ‚Tante Ida für Papa zu Weihnachten einladen!‘ Das fiel uns nicht leicht, denn Tante Ida mochten wir von allen Tanten am allerwenigsten leiden. Aber wenn sie Papa glücklich machte!?
Papas zweiter Wunsch folgte bald. Er meckerte nämlich über seinen Chef, den Herrn Kniesig. „Dem würde ich gerne mal ein Liedchen singen“, knurrte er. Und wir notierten unter 2: ’Für Papa dem Herrn Kniesig ein Lied singen. In Klammer: Vielleicht ein Weihnachtslied?’
Wir konnten noch mehr Wünsche notieren: „Ein Königreich für einen hungrigen Kater“, schrie Papa, als im Keller eine Maus an ihm vorbeihuschte. ‚Einen Kater ausleihen‘, schrieben wir auf unsere Liste.
Dann die Schlager-CD, die Mama für Oma gekauft hatte. Papa verzog das Gesicht. „Diese Schmalzmusik“, murrte er, „würde ich meinem besten Feind schenken, aber nicht Oma.“ Mama legte die CD ärgerlich weg, und wir schrieben: ‚SchlagerCD Papas bestem Feind schenken. In Klammer: Das ist bestimmt Nachbar Locke, der alte Meckerkopf.‘
Zuletzt kam noch Papas Wunsch für die olle Meyer. Viele im Ort mochten sie nicht leiden, weil sie nie etwas sagte und oft so muffig dreinblickte. Uns aber lächelte sie immer freundlich zu, wenn wir ihr begegneten. Auch Papa konnte nicht verstehen, warum die Leute über sie schimpften. „Was habt ihr nur gegen die olle Meyer?“, fragte er. „Die ist schon okay. Also, ich würde ihr mein letztes Hemd schenken, wenn ich ihr damit einen Gefallen täte.“ So sprach Papa, und wir notierten: ‚Papas Weihnachtsfreude für Frau Meyer: Sein letztes Hemd.‘
Nun hatten wir fünf Wünsche, und keiner kostete Geld. Welchen nun sollten wir Papa erfüllen?
„Schenken wir ihm alle“, sagte Lena. „Wo’s doch kein Geld kostet!“
Ich war einverstanden. „Papa wird sehr glücklich sein.“
„Oh ja!“

Dann kam Heiligabend. Wir waren sehr aufgeregt. Gleich nach dem Mittagessen machten wir uns davon.
Zuerst gingen wir zu Nachbar Locke. Unsere Knie fühlten sich an wie Pudding. Der olle Meckerkopf mochte Kinder nämlich nicht leiden. Wir zitterten, als wir ihm die Platte überreichten.
Herr Locke aber schimpfte nicht wie sonst. Es sah uns verwundert an und fing an zu stottern: „Das ist…das ist…“
Mehr hörte ich nicht, denn wir rasten schnell davon. Aber merkwürdig war es trotzdem. Auch unser Besuch bei der ollen Meyer verlief seltsam. Da wir nicht wussten, welches Papas letztes Hemd war, hatten wir alle Hemden in ein Paket verpackt. Dieses wollten wir abgeben und ‚Frohe Weihnachten‘ wünschen. Die olle Meyer aber machte uns einen Strich durch die Rechnung. Sie lächelte, dann purzelten die Worte wie ein Wasserfall aus ihrem Mund: „Danke, danke, dankeschön. Wie mich das freut! So eine Überraschung! Ach…“
Sie redete und redete, lachte und redete weiter. Es war richtig unheimlich, und wir versuchten, uns zu verkrümeln. Doch Frau Meyer schloss uns in die Arme und murmelte: „Was seid ihr für nette Mädchen! Denkt an einem Tag wie heute an eine olle Frau wie mich!“
Tränen kullerten über ihr faltiges Gesicht. Wir hielten uns mucksmäuschenstill. Insgeheim wünschten wir uns, wir hätten sie einfach so mal besucht. Später saßen wir in der Küche, tranken heiße Schokolade und probierten alle Plätzchensorten aus. Frau Mayer zündete Kerzen an und erzählte Geschichten. Es war kuschelig gemütlich, und wir vergaßen die Zeit.
Als wir wieder an Papa dachten, war es schon spät. Frau Meyer winkte uns noch lange hinterher. Ich glaube, sie hatte sich sehr über unseren Besuch gefreut. Dabei hatte sie unser Paket gar nicht ausgepackt. Merkwürdig!
Merkwürdig verlief auch unser Singen bei den Kniesigs: Den Herrn Kniesig hatten wir uns als Murrkopf vorgestellt, aber er war sehr nett. Seine Frau auch, und ganz besonders Hüna, der wuschelige Hund der Kniesigs, der uns gleich begrüßte und laut bellte, als wir unser Weihnachtslied sangen. Das klang spaßig, nämlich ungefähr so: „Leise – wau, wau – rieselt der – wau – Schnee – wau, wuff, wau.“
Die Kniesigs freuten sich sehr. „Noch nie haben Kinder für uns gesungen“, sagte Frau Kniesig und wollte uns zu einem Stück Kuchen einladen. Wir aber mussten uns beeilen und bei Onkel Udo Kater Mimo abholen, den wir für Papa und die Mäuse ausgeliehen hatten.
Onkel Udo und Mimo standen am Fenster und warteten auf uns.
„Wir dachten schon, ihr kommt nicht mehr“, sagte Onkel Udo. Er packte Mimo in einen Korb und deckte ihn zu. „Damit es eine Überraschung wird!“, sagte er und grinste.
Das war auch merkwürdig, denn immer, wenn Onkel Udo grinste, passierte etwas Schreckliches. Onkel Udo tut nämlich nichts lieber als Papa zu ärgern. „Dann feiert mal schön“, rief er uns nach. Ich hätte gerne gewusst, warum er so grinste.
Zum Nachdenken aber blieb keine Zeit. Bald würde Tante Ida mit Dackel Püppi ankommen und wir wollten sie bis zur Bescherung in unserem Zimmer verstecken.
Doch bevor wir uns ins Haus schleichen konnten, riss Papa schon die Tür auf. Im Unterhemd. Er sah überhaupt nicht weihnachtlich froh aus. Oh nein! Er atmete tief durch, dann brüllte er: „Wo habt ihr gesteckt? Wisst ihr, wie spät es ist?“ Seine Stimme wurde lauter. „…und was habt ihr mit meinen Hemden angestellt? Im ganzen Haus ist kein einziges Hemd zu finden.“ Er zerrte an seinem Unterhemd. „Soll ich vielleicht sooo Weihnachten feiern?“
Papa tobte. Und weil er damit gar nicht mehr aufhörte, kam Mama pitschnass aus dem Badezimmer gerannt, denn sie dachte, es sei etwas passiert. Tropfend, in ein Badetuch gehüllt, Lockenwickler auf dem Kopf und eine Gurkenmaske im Gesicht, stand sie neben Papa und starrte uns an. Als sie gerade etwas sagen wollte, hörten wir hinter uns eine wohl bekannte Stimme meckern:
„Was ist hier los? Feiert man heutzutage sooo Weihnachten?“
Tante Ida! Die hatten wir ganz vergessen. Papa und Mama standen wie zwei Steinsäulen an der Haustür und stierten Tante Ida an, die im Festtagskleid auf uns zu getrippelt kam. Sie war voll beladen: rechts ein Koffer, links ein Korb und unter dem Arm Tannenzweige.
„Frohe Weihnachten“, sagte Tante Ida und reichte Mama den Korb mit den Geschenken. „Nimm das mal ab!“, befahl sie. „Und sieh nicht zu, wie sich deine alte Tante abschleppt! Und wie seht ihr eigentlich aus? Bin ich zu früh?“ Sie schob Mama beiseite und betrat das Haus. „Wir freuen uns ja so sehr, mit euch Weihnachten zu feiern, nicht wahr, Püppilein?“
Mama schnappte nach Luft. Es schien, als hätte sie die Sprache verloren. Papa fasste sich als erster. „Tante Ida!“, sagte er und hustete. „Was machst du eigentlich…?“
Weiter kam er nicht, denn Püppi watschelte zu unserem Korb, in dem wir Mimo versteckt hielten. Er schnupperte, dann bellte er los.
Das war zuviel für den armen Mimo. Mit einem schrillen ‚Miau‘ sprang er aus dem Korb und jagte an uns vorbei ins Haus. Püppi knurrte wütend auf und sauste ihm hinterher.
Oh, Papa sah uns vielleicht böse an! Doch es blieb keine Zeit zum Erklären. Nach dem ersten Schreck rannten wir alle hinter den Kampfhähnen her.
„Püppi, mein armes Püppilein!“, heulte Tante Ida, während Mama und Papa vor sich hinschimpften: „Mistköter! Wirst du wohl still sein!“ „Wo kommt dieser dämliche Kater her?“ Fluchend versuchten sie, die beiden Ausreißer einzufangen.
Das sah vielleicht komisch aus! Mama im Badetuch mit grünem Gurkengesicht und Lockenwicklern, Papa im Unterhemd und Tante Ida auf Stöckelschuhen – so rannten sie um den Weihnachtsbaum herum.
Wir konnten nichts dafür, doch wir mussten einfach lachen. Wir lachten und lachten, und Mama und Papa blickten immer wütender drein. Natürlich schafften sie es nicht, Mimo und Püppi einzufangen. Die Jagd wurde immer wilder und Papas Gesicht immer röter.
Als es gerade am schönsten war, erklang von draußen ein Weihnachtslied. Laut und falsch: „O du fröhliche, o du selige Gnaden bringende Weihnachtszeit…“ Im gleichen Moment sauste ein grau-weißes Wollbündel mit lautem Gebell ins Wohnzimmer. Es war Hüna, der freundliche Hund der Kniesigs. Der Gesang wurde auch immer lauter, und dann standen die Kniesigs mit Geschenken mitten im Wohnzimmer. „Die Tür war offen“, sagte Herr Kniesig entschuldigend. „Wir wollten nur frohe Weihnachten wünschen…“
„Ich auch!“, knurrte es von hinten. Es war Nachbar Locke mit einer Weihnachtstorte in den Händen. Nun fehlte nur noch die olle Meyer…
Lena zupfte mich am Ärmel. „Glaubst du nicht, es wäre besser, wir würden verschwinden?“, flüsterte sie.
Eine gute Idee. Ich nickte. „Ja, nichts wie weg!“
Und während unsere Eltern hilflos und nichts begreifend unsere Weihnachtsgeschenke ‚auspackten‘, zogen wir uns vorsichtig zurück. Fast wäre uns die Flucht geglückt, doch da packte uns eine Faust am Kragen.
„Na, herrscht bei euch schon das große Chaos? Wie geht es dem armen Mimo?“
Es war Onkel Udo. „Ich war einfach neugierig“, grinste er. „Und ich habe etwas mitgebracht.“ Er ging zur Tür und trug einen Korb Flaschen herein. Ihm folgte die olle Meyer. Sie hatte ein Weihnachtsfraulächeln im Gesicht und schleppte einen köstlich bunten Fresskorb herein – und unser Hemdenpaket. Au weia!
Es wurde dann doch noch ein schönes Weihnachtsfest. Irgendwann hatte Papa den ersten Schreck überwunden. Dann dauerte es nicht mehr lange und alle hatten sich beruhigt. Vieles wurde gesagt, erklärt und belächelt. Zum Schluss sagte Mama: „Und nun feiern wir Weihnachten! Gemeinsam.“
Da freuten sich alle, denn eigentlich fand es jeder schöner, mit uns zu feiern, als an diesem Tag alleine zu sein. Und – wer hätte das gedacht? – alle verstanden sich prima. Es war ein Weihnachtsfest, das keiner jemals vergessen würde: lustig, fröhlich, feierlich und sehr weihnachtlich. Ja, und Papa würde diese Geschenke, die kein Geld gekostet hatten, niemals irgendwo in einer Ecke im Schlamperschrank vergraben.

© Elke Bräunling

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Weihnachtsfreude, Bildquelle ©  Pexels/pixabay

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