Als die Glocken schwiegen

Friedensgeschichte für Groß und Klein – Kirchenglocken im Krieg sind nicht spannend

Die Glocken läuteten.
„Schön“, sagte Oma. „Es tut gut, hier zu sitzen und dem Klang der Glocken von Sankt Ludwig zu lauschen. Ich liebe sie, diese Glocken!“
Bei ihrem Spaziergang hatten Oma, Jule und Jan auf der Bank bei der großen Linde oberhalb der kleinen Stadt Rast gemacht.
„Na ja“, meinte Jan. „Die Glocken können auch ganz schön nerven. Vor allem am Sonntagmorgen, wenn ich ausschlafen möchte.“
„Ich mag sie“, sagte Jule. „Sie gehören zu uns. Nicht auszudenken, wenn sie schweigen würden.“
Oma nickte. „Ja. Nicht auszudenken wäre das. Und doch waren sie lange still geblieben.“
„Warum das?“
„Einfach so?“
Neugierig starrten die Geschwister ihre Großmutter an. Ein Leben mit schweigenden Glocken konnten sie sich nicht vorstellen.
„Sie waren in den Krieg gezogen“, sagte Oma.
„In den Krieg? Die Glocken? Hoho!“ Jan lachte und Jule sagte mit einem ungläubigen Grinsen: „So ein Quatsch!“
„Kein Quatsch“, widersprach Oma. „In beiden großen Kriegen hatte man unsere Glocken abgeholt. Sie wurden eingeschmolzen und zu Waffen und Kriegsgerät verarbeitet.“
„Eine Glocke kann doch keinen Krieg führen.“
Die Geschwister konnten nicht glauben, was Oma da erzählte.
„Viele kleine Glocken ergaben viele kleine und große Granaten und noch mehr Patronen für die Gewehre der Soldaten“, sagte Oma. Sie sagte es mit einem tiefen Seufzer.
„Boah!“, machte Jan. „Kirchenglocken und fiese Granaten? Wie passt das zusammen?“
„Gar nicht“, meinte Oma, und Jule sagte:
„Krieg ist doof.“
Das sagte sie immer, wenn von Kriegen und Kämpfen und Streitereien die Rede war.
„Wie recht ihr habt.“ Oma legte die Arme um die Schultern ihrer Enkel.
„Aber du warst nicht dabei in diesen Kriegen, oder?“, fragte Jule.
„Für wie alt hältst du mich eigentlich? Oma sah Jule mit einem schiefen Grinsen an. „Meine Großmutter hat den ersten großen Krieg miterlebt. Sie war so alt wie du, Jule. Und meine Mutter war ein Kind im zweiten großen Krieg. Und beide haben oft von ihren Erlebnissen, ihrer Traurigkeit und ihren Ängsten erzählt. Erst lange nach Ende des zweiten großen Krieges kam ich auf die Welt – und da hatte die große Glocke von Sankt Ludwig noch immer geschwiegen. Sie kam erst zurück, als ich in eurem Alter war. Und ich sage euch, ihre Rückkehr war ein großes Fest. Alle im Städtchen haben sich gefreut und gesagt: ‘Jetzt, ja, jetzt erst sind sie wirklich vorbei, die schrecklichen Kriege. Nie wieder wollen wir Krieg haben. Dafür werden wir alles tun. In Frieden wollen wir leben! Für immer’!”
Oma lächelte. „Die Glocken“, meinte sie dann „haben den Menschen den Frieden erst so richtig zurück gebracht. … Die neuen Glocken“, fügte sie nach einem kurzen Atemzug hinzu. „Die alten gab es ja nicht mehr. Sie waren genau so tot wie die vielen vielen Millionen Opfer der beiden Kriege.“
Dann schwieg sie.
„Wie schön dass sie jeden Abend läuten“, brach Jule endlich das Schweigen. „Sie erzählen vom Frieden.“
„Und Kriege sind wirklich doof“, ergänzte Jan, der bisher immer „Kriege sind spannend“ gesagt hatte. “Ein Krieg, in dem Kirchenglocken zu Granaten werden, kann keine spannende Sache sein.”
Stimmt! Krieg ist keine spannende Sache und mit Glocken kann keiner einen Krieg gewinnen. Auch nicht mit Panzern.

© Elke Bräunling

Auch in dieser Geschichte läuten Glocken für den Frieden: Als die Glocken nicht mehr schweigen konnten


Zum Ende des Sommers 1914 begann der Erste Weltkrieg und er hat alle unsere Vorfahren betroffen und getroffen. Fragt eure Eltern! Sie kennen bestimmt noch die Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern aus den Kriegen und die Trauer, die sie noch immer tief in ihren Herzen tragen. Und immer noch toben Kriege in vielen Ländern der Erde. Warum? Warum lassen Menschen Waffen sprechen und reden nicht miteinander?
Viel könnte man da sagen und viele Tränen könnte man vergießen.
Warum schweigen wir?

Meine liebe Kollegin Sonja Mengkowski hat dazu ihr “Land des Friedens” gemalt. Dort, ja, dort lebte ich gerne. Und du?

 

Die alten Glocken, Bildquelle © _Alicja_/pixabay

Meine Texte und die virtuelle Kaffeekasse

Kontaktieren Sie mich bitte, wenn Sie einen oder mehrere meiner Texte online oder printmäßig verwerten oder anderweitig publizieren möchten.

Und wenn Sie mir einen Becher Kaffee schenken möchten, einfach so, weil Ihnen die Geschichte gut gefallen hat, so freue ich mich sehr darüber. Herzlichen Dank! 💛

Vielleicht haben Sie Lust, mein Blog zu abonnieren?

So verpassen Sie keinen Beitrag mehr! Einfach Mail-Adresse eintragen, absenden und den Link in der Bestätigungsmail anklicken. Ich freue mich auf Sie! Auf Dich!