Ist schon Frühling?

Frühe Frühlingsgeschichte für alle, die Frühlingsblumen lieben

„Ist schon Frühling?“, fragte der kleine gelbweiße Tulpentrieb, der tief in der Erde in der Zwiebelknolle ruhte, seine Nachbarinnen.
„Nein nein. Noch ist es Winter, Tulpenkind“, antworteten dünne Stimmchen von allüberall ringsum. „Für dich ist die Zeit noch lange nicht gekommen. Wir aber, wir werden uns nun auf den Weg ans Licht machen.“
„Weil vielleicht doch Frühling ist?“ Die Stimme der kleinen Tulpe klang hoffnungsvoll.
„Nein, nein, weil wir Schneeglöckchen sind“, erklang es aus den Zwiebeln der Schneeglöckchen.
„Und Krokusse“, riefen die Krokusstriebe schnell.
„Und Märzenbecher“, meldeten sich die Märzenbecher.
„Und wir Narzissen natürlich“, erscholl es aus den Narzissenzwiebeln. „Wir sind die wahren Glöckchen des Frühlings.“
„Ha! Ihr müsst noch warten, ihr vorwitzigen Narzissen“, wehrten sich die Schneeglöckchen, Krokusse und Märzenbecher. „Ihr seid beileibe nicht die ersten und wenn jemand den Frühling einläutet, dann sind wir es. Wir dürfen schon im späten Winter das Licht der Sonne begrüßen.“
„Genau! Ihr habt hier noch gar nichts zu melden“, protestierte der lange Trieb einer besonders prallen Krokuszwiebel. „Wir blühen als erste und über unsere Farbenpracht freuen sich die Menschen am allermeisten.“
„Und was ist mit mir?“, fragte scheu eine besonders dicke Zwiebel, die viel Platz in der Erde brauchte. „Ich soll auch sehr farbenprächtig sein, glaube ich. Und mein Duft soll einzigartig sein, heißt es. Einzigartig und betörend. Wann bin ich an der Reihe.“ Es war die Hyazinthe, die sich zu Wort meldete.
„Ha! Schlafe weiter! Deine Zeit ist noch lange nicht gekommen.“
„Und meine? Ich bin doch schon so lange wach und ich will auch die Sonne sehen. Jetzt gleich!“ Es war wieder die kleine Tulpe, die keine Lust mehr hatte, länger in der Erde in der Zwiebel zu ruhen.
„Warten! Du musst waaarten! Hörst du? Jetzt sind wir an der Reihe und sonst keiner. Wir werden die ersten und einzigen Blüten sein, die so früh im Jahr schon blühen. Merkt euch das!“
Laut war es in der Erde des Blumenbeetes geworden. Sehr laut.
„Was ist da los?“, wunderte sich das Gänseblümchen, das in diesem Winter tapfer gegen die Kälte angekämpft und seine Blüten gerettet hatte.
„Ich glaube“, flüsterte das Veilchen, „unsere Zwiebelfreunde wachen auf. Wie jedes Jahr streiten sie sich darüber, wer die erste Blüte im Jahr sein wird.“
Das Gänseblümchen seufzte. „Das heißt, wir haben bald Frühling? Dann ist es vorbei mit unserer stillen Winterruhe, liebe Freundin.“
Das Veilchen lächelte. „Ja, der Trubel beginnt bald. Am meisten freue ich mich, wenn sie begreifen, dass sie nicht die Ersten sind.“
„Und es auch niemals sein werden. Ich freue mich schon auf ihre verdutzten Gesichter.“ Das Gänseblümchen lachte nun und das Veilchen stimmte mit ein. Und nun war es auch über der Erde etwas lauter geworden, so laut, dass die Tiere ringsum aus dem Winterschlaf erwachten.
„Ist schon Frühling?“, fragte die kleine Maus in ihrer Schlafhöhle.
„Nein, nein, es ist noch Winter“, antwortete Mama Maus schnell. „Es sind nur die vorwitzigen Frühlingsblumen, die meinen, jetzt schon blühen zu müssen, aber das, kleine Maus, ist nicht unsere Geschichte. Schlaf noch ein bisschen!“
„Und was ist unsere Geschichte?“, erkundigte sich die kleine Maus, doch Mama Maus antwortete nicht mehr. Sie war doch glatt wieder eingeschlafen.

© Elke Bräunling


Frühling kommt, Bildquelle © KRiemer/pixabay

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