Ein Herbstgespräch im Wald
Ein Herbstgespräch im Wald
Besinnliches Herbstmärchen
„Wenn Bäume sprechen, hört der Wald zu.“
Ein poetisches Herbstmärchen über zwei streitlustige Bäume, die entdecken, dass Zuhören schöner ist als Rechthaben. Eine sanfte Geschichte über Freundschaft, Stille und das Flüstern des Waldes. 🍂✨
Mit Ausmalbild.
Ein Herbstgespräch im Wald
Es ist Herbst geworden und alle bereiteten sich auf ihn vor, alle Tiere, Blumen, Gräser und Bäume. Die Menschen auch ein bisschen. Bereit wollten sie sein für ihn. Und schön. Und fröhlich, irgendwie, denn die bunte Zeit mochten sie alle gut leiden.
Nur die Birke und der Ahorn, die am Fuße der Waldwiese lebten und sich in den langen Sommertagen immer gut und zufrieden unterhalten hatten, waren griesgrämig gestimmt.
Sie stritten nämlich miteinander und warfen einander die gleichen unfreundlichen Worte zu wie jedes Jahr um diese Zeit.
„Ich bin die erste“, rief die Birke. „Meine Blätter tragen als erste den Schmuck der Herbstbraut. Gelb wird mein Kleid sein. Goldgelb.“
„Und rot das meine“, entgegnete der Ahorn. „Rot und ein bisschen gelb auch und in kleinen Nuancen – manchmal – auch ein bisschen grün. Olivgrün, um es genau zu sagen.“
„Angeber! Ha! Mein goldenes Kleid leuchtet hell und strahlend mitten im Waldesgrün und alle, die es sehen, betrachten mich voller Staunen und Freude“, sagte die Birke. „Ich … ich strahle wie ein kostbares Juwel, wenn dir das etwas sagt.“
Nein, das sagte dem Ahorn nichts. Einem Juwel war er noch nie begegnet und er glaubte auch nicht, es je zu benötigen.
„Und ich funkle wie ein Diamant in allen Farben des Rots, die man sich nur vorstellen kann“, bemerkte er. „Was bedeutet da schon dein Gelb? Langweilig ist es und, wenn wir ehrlich sind, auch ein bisschen fade.“
„A-a-aber …“ Der Birke fehlten die Worte. Langweilig sollte sie aussehen und fade?
„Das ist eine U-Unverschämtheit“, wollte sie rufen, doch sie hielt inne.
Warum mussten sie immer streiten und einander weh tun? Das Ende vom Lied war doch immer das gleiche. Bald würden sie ihr schönes Blätterkleid verlieren und nackt dastehen. Beide. Und dann würden sie einander wieder sehr sehr ähnlich sein.
Sie schwieg und der Ahorn rief nach einer Weile:
„Hat es dir die Sprache verschlagen, meine Gute?“ Es klang auch nicht mehr so streitsüchtig.
„Ich lausche dem Wind und den Stimmen des Waldes“, sagte die Birke leise. „Es erfüllt meine Seele mit Zufriedenheit … und Liebe.“
„Lass uns zusammen lauschen!“, bat der Ahorn da.
Und das taten sie auch und für einen Moment war es, als hielte der Wald den Atem an.
© Elke Bräunling
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