Der Marienkäfer und die Herbstzeitlose

Tiermärchen für Groß und Klein – Vom Beginn der Herbstwelt im September

„Nanu? Wohin geht der Tag schon wieder so schnell? Kaum ist er da, macht er sich auch schon wieder vom Acker. Hm! Hm!“
Der kleine Marienkäfer blickte der Sonne hinterher, die ihre Strahlenkrone langsam hinter den Berg schob und der Dunkelheit und der Kühle der Nacht Platz machte.
Und sogleich spürte er, wie der kälter werdende Wind in seine Glieder kroch. Er schüttelte sich, und ein bisschen war ihm gleich wärmer. Aber ein bisschen nur.
„Was passiert da?“, brummte er. „Warum verschwindet die Sonne so früh. Mir scheint, die Tage werden kürzer und immer kürzer. Nein, ich verstehe das nicht. War diese Welt nicht prima, so wie sie es lange Zeit, ein Leben lang, wie ich meine, gewesen ist?“
„Es ist die Sommerwelt, von der du sprichst“, antwortete die Blume, auf deren Kelch er sich niedergelassen hatte. Es war eine hübsche, zartlilafarbene Blüte, die anders roch als all die Blumen, denen der kleine Käfer in seinem langen Käferleben begegnet war. Bitter irgendwie und zum Käferverjagen und gar nicht süß wie andere Blüten. Eigentlich war das kein Duft. Seltsam.
Er nickte. „Ja, die Sommerwelt ist eine schöne, einzigartige, wunderbare und …“
„Und eine vergängliche“, unterbrach ihn die Blume. „Und nun ist sie vorbei.“
„Vorbei? Wie meinst du das?“ Der kleine Käfer erschrak. Wie konnte eine Welt vorbei sein? Einfach so?
„Vorbei heißt vorbei, fort, verschwunden, weg. Suche es dir aus!’’ Die Blume lachte, nein, sie grinste ein bisschen. „Aber das weiß man doch!“
„Ja, klar, natürlich“, murmelte der kleine Marienkäfer. „Ich … ich meine ja nur. Und…“ Er wusste nicht weiter. „Und ich denke, die Sommerwelt kann nicht verschwinden. Nicht solange Blumen blühen.“
Die fremde Blume mit dem seltsamen Nichtblumengeruch lachte wieder.
„Wenn du dich da mal nicht irrst! Ich bin wohl eine Blume, ja, ich bin ein Symbol der neuen Welt, die mit mir beginnt und deren Namen ich in dem meinen trage.
„Und wie lautet dein Name?“, erkundigte sich der kleine Käfer, obwohl es ihn gar nicht mehr interessierte, aber er wollte höflich sein.
„Herbstzeitlose, wie sonst“, antwortete die Blume und Stolz schwang in ihrer Stimme. „Ich bin der Anfang dieser neuen Welt, die nach mir benannt ist.“
„Herbstzeitlosenwelt? Haha!“ Nun war es der kleine Marienkäfer, der lachte. Zu komisch war diese Blume. Haha! „Und die Sonne flieht vor dir und deiner Welt, scheint mir. Eine seltsame Welt ist das. Höchst seltsam.“
Die Blume mit dem komischen Namen und dem noch komischeren Geruch schwieg. Sie war gekränkt.
Der kleine Käfer kicherte noch ein Weilchen, dann spreizte er die Flügel und flog mit einem Brummsummen davon auf der Suche nach den Blumen, die er kannte und die nach seiner Welt, der Sommerwelt, dufteten. Er musste sich beeilen, denn es war inzwischen dunkel geworden und wirklich sehr kühl.

© Elke Bräunling


Begegnung im Blütenkelch, Bildquelle © sergiosartirana/pixabay

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