Herbstsommer oder Sommerherbst

Septembermärchen – Ist es schon Herbst oder noch Sommer?

„Sie feiern mich“, sagte der Herbst. „Ich höre es genau. Ich sehe es auch.“
„Wer?“, fragte der Frühling gelangweilt. Der Herbst war der Kollege, der ihn am wenigsten interessierte, lag dessen Zeit doch weit entfernt von der seinen. „Wer feiert dich?“
„Feiern? Warum?“, erkundigte sich der Winter, der noch müde war. „Jedem die Feste, die er verdient“, murmelte er und schloss wieder die Augen.
Der Sommer aber fühlte, wie sich sein Himmel rötete. Aus Wut. Konnte der Herbst, dieser zudringliche und ungeduldige Kerl nicht einfach mal die Klappe halten? Seine Zeit war schließlich noch nicht da. Oder doch? Ein bisschen vielleicht?
Nun ja, um es ehrlich zu sagen, war sie sogar schon weit fortgeschritten. Schließlich ging es bereits auf das Ende des Septembers zu. Das aber interessierte den Sommer nicht. Nutze die Zeit und jeden Tag, der dir geschenkt wird. Das war sein Motto und er lebte auch danach. Es störte ihn auch keiner dabei und der Herbst, der Faulenzer, sollte schweigen. Kaum einer mochte diesen wilden und unberechenbaren Kerl leiden. Nichts als Ärger brachte er dem Land mit seinen Stürmen und Nebelstunden, den sinkenden Temperaturen und den dunkler werdenden Tagen.
„Dich feiern?“, rief der Sommer daher. „Ha! Wer mag dich schon feiern? Ein Spielverderber bist du, nichts weiter.“
Der Herbst nahm es gelassen. Sein Sommerkollege pflegte ihn stets etwas hitzköpfig zu empfangen. Er wollte nur damit ablenken, dass er ihm wieder einmal viele Tage seiner kostbaren Herbstzeit stahl. Schließlich stand der Oktober bald schon vor der Tür und es war allerhöchste Zeit, das Zepter an ihn, den Herbst, weiter zu geben.
„Die Menschen“, sagte der Herbst. „Sie sind es, die mich feiern. Die Erntezeit geht ihrem Ende zu. Bald kommt die große Ruhe, und dafür will man mir danken.“
„Angeber! Ich zeige dir, woher der Wind weht. Die Menschen feiern nicht dich, sondern die Früchte der Arbeit, für deren Pflege und Gedeihen wir in Sommertagen gemeinsam gesorgt haben. Dich und deine Zeit fürchten sie nur. Aber du willst doch, dass…“, polterte der Sommer los, doch der Herbst hatte die Nase vom Streiten voll.
„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, hielt er dem protestierenden Sommer entgegen. „Und sprich nicht von Dingen, die du nicht begreifst.“
„Ha! Ich …“ Der Sommer rang nach Worten und der Herbst lachte. Er lachte laut und polternd.
„Nun streitet nicht!“, warf der Frühling, der sich etwas genervt fühlte und schlafen wollte, ein. „Es ist wie es ist und dieser Tage haben wir ein bisschen Sommer und ein bisschen Herbst. Das ist okay so, wie ich finde, oder?“
„Ja, es ist okay!“, hallte es aus der Schlafecke des Winters. „Herbstsommer oder Sommerherbst. Das passt zu euch beiden, denn ihr werdet euch niemals entscheiden können. Gehen oder bleiben? Vertreiben oder dulden? Ihr streitet. Und wozu? Den Menschen scheint euer Herbstsommerwetter zu gefallen.“
„Uns gefällt es auch“, sagte der Frühling schnell, um den beiden Streithähnen keine Atempause zum Nachdenken und Weiterstreiten zu lassen.“
„Aber dann sagt mir bitte auch einmal, warum die Menschen den Herbst feiern und nicht mich“, empörte sich da der Sommer auch schon. „Wenn sie den Sommerherbst oder Herbstsommer so sehr mögen, müssten sie doch uns beide auf die gleiche Weise feiern und ich, ich bin…“
Das war dann der Moment, in dem dem Herbst der Geduldsfaden riss. Er rief seine Sturmwinde herbei, packte den Sommer und warf ihn aus dem Land. Was genug war, war genug. Und er wollte jetzt in aller Ruhe feiern. Beim Herbstfest der Menschen.

© Elke Bräunling


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Kastanien im September, Bildquelle © webandi/pixabay

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