Ein Freund für den Adventskeks
Ein Freund für den Adventskeks
Keks hatte sich verirrt. Das war schlimm, denn was geschah mit einem Keks, der seinen Weg verloren hatte? Nein, falsch, nicht er, sondern das Kind hatte ihn verloren. Mit Schwung sogar. Weil es sich so sehr über die Erwachsenen ärgerte, hatte es plötzlich weit ausgeholt und den Ball in seinen Händen von sich weg geschleudert mitten in den Bach hinein. Und dabei ist Keks aus der Jackentasche gefallen. Nicht in den Bach. Zum Glück.
„Was für ein Glück!“, sagte Keks, der wie ein Herz aussah. „Und nun hebe mich auf und stecke mich wieder in deine Tasche. Schließlich bin ich dein Keks. Dein Schokoladenkeks, um genau zu sein.“
Doch das Kind war längst weiter gelaufen. Noch lange hörte Keks seine Stimme, die immer noch wütende Worte in den Nebeltag hinaus schrie.
„Was für ein Kind ich doch habe!“, murmelte Keks. „Nein. Hatte. Es ist ja nicht mehr da. Nur ich bin es noch. Ich, der süße Schokoladenkeks aus dem Adventskalender. Aus Türchen Nummer 2, um genau zu sein. Hm. Und wer oder was bin ich nun? Ein armer Keks. Ein armer, armer Schokoladenkeks.“
Wenn er gekonnt hätte, hätte er am liebsten eine Träne verdrückt, doch Kekse weinten nicht. Es würde ihrer Haut nicht gut bekommen, von Tränen aufgeweicht zu werden.
Aber was nun? Keks sah sich um. Da war niemand, der ihn in eine warme Kinderhand nahm, ihn betrachtete, vielleicht sogar ein bisschen an ihm leckte, so wie es sein Kind getan hatte.
„Hm!“, hatte es gesagt. „Wie schmeckst du süß! Du bist mein liebster, mein allerliebster Lieblingskeks. Hörst du?“
Das hatte es gesagt und Keks hatte zugehört. Ja, er hatte es genossen, von dem Kind geküsst zu werden. Denn so hatte es sich angefühlt, dieses Lecken. So schön, dass Keks auf einmal gar keine Angst mehr davor gehabt hatte, aufgegessen zu werden. Dafür war er schließlich da.
„Nicht auszudenken, wenn ich nun alleine hier liegen bleibe und keiner mich zum Naschen lieb hätte. Das darf nicht sein. Ich muss etwas tun.“
Und er tat das einzige, was ihm einfiel, um auf sich aufmerksam zu machen. Mit all seiner Kraft schickte er seinen süßen Schokoladenduft in die Nebelwelt hinaus. Bestimmt würde das Menschenkind nach ihm suchen und ihn so wieder finden. Kein Keks auf der Welt nämlich duftete besser als er.
So lag er da und duftete vor sich hin und ein lieblich süßer Schokoladenduft, der ein bisschen schon nach Weihnachten roch, zog über die Wiese bis zum Wald hinüber.
Es dauerte nicht lange, bis eine warme, pelzige Pfote ihn aufhob. Die gehörte zu dem Eichhörnchen, das in der Eiche seinen Schlafplatz hatte.
„Hallo, fremder Freund! Du duftest fein. Kommst du mit? Ich lade dich zu mir ein.“
Das Eichhörnchen freute sich über den Fund und Keks freute sich, gefunden worden zu sein. Und voller Freude machten sich die beiden auf den Weg zur Schlafhöhle und hatten fortan viel Spaß miteinander. Den ganzen Winter lang. Und das war viel besser, als von einem Kind genascht und aufgegessen zu werden.
© Elke Bräunling
Aus der Tasche gefallen?, Bildquelle © Brenkee/pixabay