Hallo, Herbst!

Kindergeschichte vom kleinen Pony, das den Herbst kennenlernt

Nach einem kühlen, nebelfeuchten Morgen war es warm geworden. Die Sonne sandte ihre Strahlen über die Weide. Sie brachte die Tautropfen und Spinnweben, die in den Gräsern und Kräutern hingen, zum Glitzern. Überall schimmerte es silbern. Schön sah das aus und ganz anders als sonst.
Das kleine Pony stand beim alten Sandstein auf dem Hügel am Ende der Weide. Von hier aus hatte es den besten Blick auf die Wiesen, Felder und Obstgärten ringsum, auf das Tal mit dem kleinen Bach und den Wald, der die Hügel zu beiden Seiten des Tales umsäumte. Es war ein schöner Blick und es war der liebste Lieblingsplatz des kleinen Ponys. Jeden Morgen wanderte es hierher, wuchsen hier doch die würzigsten Kräuter. Das aber verriet es niemandem. Nicht einmal Mama Stute.
Das kleine Pony war hungrig. Als es gerade seinen Kopf in ein Kräuterbüschel senken wollte, hörte es ein lautes Krächzen. Es kam von den Apfelbäumen, die hinter der Weide standen.
Neugierig und auch ein wenig aufgeregt blickte es zu den Bäumen hinüber. Ein Rabenvogel erhob sich von der Spitze eines Apfelbaums. Er flog über die Wiese hinweg, drehte einen Kreis in der Luft und ließ sich auf der Spitze des verwitterten Sandsteins nieder.
Das kleine Pony erschrak. Es blickte zu dem Raben, dann wieder zu den Obstbäumen hinüber. Was war geschehen? Da war ja auf einmal so viel Bunt im Grün. Komisch sahen die Blätter aus und fremd und irgendwie auch schön. Hatte dieser fremde Rabenkerl sie verzaubert und in den oberen Zweigen hellgelb und rot bemalt?
„Hallo!“, sagte da der Rabe. „Ich bin der kleine Rabe. Und wer bist du?“
„Hallo!“, antwortete das kleine Pony. „Ich bin das kleine Pony. Was machst du in den Bäumen? Bist du es, der das Bunt ins Grün gemalt hat?“
„Bunt ins Grün?“ Der Rabe stutzte. „Ich verstehe nicht, was du meinst.“
„Siehst du sie nicht, die roten und gelben Blätter?“, fragte das kleine Pony. Es war enttäuscht. „Ich dachte, ihr Rabenvögel habt gute Augen.“
„Haben wir auch, haben wir auch“, krächzte der kleine Rabe. „Und ich glaube gehört zu haben, dass auch Ponys gut sehen können. Sieh dich um! Überall in den Bäumen und Sträuchern wirst du das Bunt im Grün sehen und ich verrate dir noch eines: Jeden Morgen wird es ein bisschen mehr davon geben.“
„Aha!“ Das kleine Pony war beeindruckt. „Dann habt ihr Rabenvögel aber viel zu tun. So viele Bäume! So viele Blätter!“
Da musste der kleine Rabe lachen. „Wir Raben sind’s nicht, die die Blätter färben. Nein, die kühle Nacht ist’s und der Morgentau. Das ist so im Herbst.“
„Herbst? Davon habe ich schon gehört. Hallo, Herbst!“ Das kleine Pony nickte. „Kannst du mir aber auch verraten, wer dieser Herbst ist?“
Da konnte der kleine Rabe schon gar nicht mehr mit dem Lachen aufhören.
„Finde es selbst heraus!“, krächzte er und plusterte seine Flügel auf. „Ich muss weiter! Auf bald!“
„Auf bald!“, rief das kleine Pony. „Und bring ihn mit, den Herbst, wenn du wieder kommst! Hörst du?“
Noch lange sah es dem Raben hinterher, der mitten hinein ins bunte Grün flog.

© Elke Bräunling


Das kleine Pony, Bildquelle © JACLOU_DL/pixabay

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