Der kleine Weihnachtswichtel und das große Kind
Geschichte in der Weihnachtszeit für Groß und Klein – Warum die Wichteltür eingerostet war
„Nanu!“, brummte der kleine Wichtel, der auch in diesem Advent wieder auf dem Weg zu den Kindern war. „Warum lässt sich die Tür so schwer öffnen? Man könnte meinen, sie ist zugewachsen. Und wie staubig sie ist! Als hätte hier seit Jahren kein Wichtel mehr seinen Weg gefunden. Seltsam, seltsam. In der Weihnachtszeit sind doch alle Wichteltüren weit für uns geöffnet … oder irre ich mich?“
Er seufzte und wischte sich die Anstrengung aus der Stirn, dann stemmte er sich wieder gegen die Tür. Endlich sprang die mit einem lauten Ächzen auf. Nein, es klang eher wie ein lautes ‚Peng!’
Peng! Der kleine Wichtel erschrak. Vorsichtig trat er durch die Tür und sah sich im Zimmer um. Es sah seltsam hier aus mit den großen Stühlen und Sesseln und gar nicht nach den Kinderzimmern, die er von seinen früheren Adventsbesuchen in Erinnerung hatte.
Peng! Auch Oma Kleinfuß war zusammengezuckt. Was war das gerade für ein Geräusch?
„Peng?“, murmelte sie. „Kommt Besuch? Aber welcher Gast kündigte sich mit einem ‚Peng‘ an?
Sie erhob sich von ihrem Stuhl und ging eilig ins Wohnzimmer hinüber. Ihre Absätze klackerten auf dem Holzfußboden. Klack! Klack!
Der kleine Wichtel erschrak mächtig, als plötzlich zwei lange Beine mit großen Füßen vor ihm aufragten. Was war das? Es war Nacht und Schlafenszeit. Warum schlief dieses seltsam große Kind nicht? Darüber musste er erst einmal nachdenken. Er wandte sich um und wollte schnell durch die Wichteltür wieder verschwinden, doch eine laute Stimme hielt ihn wie gefangen fest. Sie klang fröhlich, die Stimme, und gar nicht nach einem Kind. Auch nicht nach einem Wichtel.
Er blickte das Wesen mit den großen Füßen an.
„B-bist du ein K-kind?“. stammelte er.
Das Wesen, das niemand anderes als Oma Kleinfuß war, lachte. „Ein Kind? Haha! Ich? …“ Sie brach ab, dann lachte sie wieder. „Aber wenn du mich so fragst: Ja, ich bin ein Kind. Ein großes Kind. Ein … altes.“
Dann lachte dieses große, alte Kind so herzlich, dass der kleine Wichtel nicht anders konnte als mitzulachen.
Und da standen sie nun im dunklen Zimmer und hielten sich die Bäuche vor Lachen.
„Große Ki-hinder si-hind lustig“, japste der kleine Wichtel. „A-ha-ber sag, was sind alte Kinder? Noch nie habe ich von ihnen gehört und noch nie habe ich eines von ihnen besucht.“
„Ja-ha, leider“, brummte das alte Kind. „Seit vielen Jahren war kein Wichtel mehr hier gewesen und das macht mich jedes Jahr aufs Neue sehr traurig.“
Der kleine Wichtel bekam großes Mitleid mit dem armen, großen, alten Kind.
„Das ist auch traurig und nun weiß ich, warum sich meine Wichteltür zu deinem Zimmer so schwer öffnen ließ. Sie war wohl etwas eingerostet.“
Wieder lachte das alte Kind.
„Da-has ist unverzeihlich“, kicherte es. „Aber nun bist du ja da und das freut mich sehr.“
„Ja, nun bin ich da.“ Der kleine Wichtel blickte zu dem großen Kind hinauf. „Du bist wirklich sehr groß. Fast so groß, wie die Erwachsenen es sind.“
„Ja, leider“, sagte das große Kind. „Und wenn ich ehrlich bin, so muss ich dir sagen, dass ich auch schon lange erwachsen bin und Oma Kleinfuß heiße. Aber hier drinnen“, es schlug sich auf die Brust, dort, wo das Herz seinen Platz hatte, „hier drinnen bin ich ein Kind geblieben. Mein ganzes Leben lang. Fünfundsiebzig Jahre.“
Der kleine Wichtel staunte. „Dann bist du ein erwachsenes Kind? Oh, das ist großartig. Noch nie habe ich ein erwachsenes Kind besucht. Sag, darf ich bis Weihnachten dein Wichtel sein und meinen Wichteljob bei dir tun?“
„Aber ja! Ich bitte darum, lieber kleiner Wichtel“, antwortete Oma Kleinfuß. „Wie wäre es, wenn wir uns jeden Abend für ein Weilchen unterhielten? Das würde mir und dem Kind, das in meinem Herzen schlummert, sehr gut gefallen.“
„Juppieh!“, rief der kleine Wichtel. „Das würde auch mir sehr gut gefallen und ich werde dir viele Überraschungen bereiten. Oh, wie wird das schön und ich …“ Er brach ab. „Aber du darfst es niemandem verraten, denn eigentlich darfst du mich gar nicht sehen.“
„Stimmt“, sagte Oma Kleinfuß. „Und eigentlich darf auch keiner wissen, dass ich ein altes Kind bin.“
„Stimmt auch!“ Der Wichtel nickte. „Ein altes Kind mit großen Füßen, das Oma Kleinfuß heißt.“
Und da mussten beide wieder lachen und das war der Beginn einer sehr fröhlichen Weihnachtszeit für Oma Kleinfuß und den kleinen Wichtel.
© Elke Bräunling
Wichtelkind, Bildquelle © Pezibear/pixabay
Hallo,
ich arbeite gerade diese Geschichte zu einer Puzzle-Geschichte für den Adventskalender in der Schule um. Die Geschichten sind toll. Ich werde wohl dieses Jahr 2 nehmen müssen, weil die Kinder schon so gut und viel lesen, dass die Absätze zu lang werden. Oder gibt es eine Geschichte mit 23 Absätzen 🙂
Vielen Dank
PS: Puzzelgeschichte: in einem Säckchen des Adventskalender sind 23 kleine Absätze, wobei immer der erste und letzte Satz der gleiche ist wie im Absatz davor bzw. danach. Die Kinder müssen beim Lesen also aufpassen und ihren Einsatz hören und dann weiter lesen. Das hat letztes Jahr viel Spaß gemacht 🙂
Hallo Heike!
Das mit den Puzzlestücken klingt interessant und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie viel Spaß es macht. Es ist eine tolle Gemeinschaftsarbeit.
Deine Frage nach Geschichten mit 23 Absätzen? Puh! Ich habe noch nie eine Geschichte in Absätze unterteilt bzw. diese gezählt.
Schwierig. Es bieten sich längere Geschichten an, davon gibt es nicht allzu viele im Blog, da fast niemand mehr lange Geschichten lesen mag. Leider.
“Der kleine Sternenengel und die Hoffnung” ist zum Beispiel etwas länger. “Mia und das Christkind”, “Max und der Weihnachtsmann”, “Als der goldene Stern dem Hasen vor die Füße fiel”, “Die Kleine Waldmaus, der Igel und der Winterduft”, “Die rechte Weihnachtsfreude”,. “Pia, Pit und das Weihnachtszauberlicht”, “der kleine Stern und das Weihnachtslicht” und viele andere. 🎄
Ist da etwas dabei für euch?
Ich bin gespannt.
Liebe Grüße, Elke